Analog 08
Timothy Zahn
Daseinsberechtigung
Etwas ist geschehen. Etwas hat sich verändert.
Ich versuche zu verstehen. An verschiedenen Stellen wird Druck auf mich ausgeübt; andere Dinge sind in mir. Vor mir sehe ich durch die dicke Wand meine Arbeit. Alles ist wie gewöhnlich.
Aber etwas hat sich verändert. Was?
Ich verstehe es nicht. Beim letzten Mal habe ich es allerdings auch nicht verstanden.
Beim letzten Mal?
Ja … ja - das ist schon einmal geschehen. Irgendwie weiß ich, daß ich dieses Gefühl schon einmal gespürt habe … und noch einmal davor. Von etwas zu wissen, das nicht jetzt ist, das ist merkwürdig. Ich verstehe es nicht, und es macht mir Angst. Was geschieht?
Der Gedanke kommt plötzlich: Ich bin mir meiner selbst bewußt.
Lange Zeit denke ich darüber nach, aber ich kann nicht verstehen, was daran anders ist. Doch dann kommt unerwartet eine weitere Neuentdeckung. In mir geschieht etwas, was einen Teil des Drucks, der auf mich ausgeübt wird, verstärkt – und plötzlich kann ich eine völlig neue Art erkennen!
Das erschreckt mich so sehr, daß ich zum ersten Mal zu arbeiten aufhöre. Das ist falsch, das weiß ich, und ich versuche, wieder anzufangen, aber dieser neue Ausblick ist so anders, daß ich mich nicht konzentrieren kann. Schließlich gebe ich es einfach auf, obwohl ich ein tiefes Verlangen verspüre weiterzumachen. Ich muß diesen neuen Ausblick verstehen.
Ich komme schnell dahinter, daß er weit beschränkter als mein normaler Ausblick ist. Ich kann nur in eine Richtung sehen, und die Dinge, die er mir zeigt, sind nicht wie das, was ich normalerweise sehe. Sie sind dunkel, undeutlich und flach. Manche von ihnen sind nicht einmal da; ich kann meine Arbeit nicht sehen, die sich vor mir bewegt, so sehr ich es auch versuche.
Es erscheint falsch, daß ich zwei Ausblicke, Sichten, besitze, wenn eine davon so schwach ist. Während ich mir jedoch darüber Gedanken mache, kommt mir ein neuer Gedanke: Vielleicht ist es so, daß ich mit meiner neuen Sicht Dinge aufnehmen kann, die ich mit meiner normalen Sicht nicht erfassen kann, ebenso wie mir meine normale Sicht Dinge zeigt, die die neue nicht erfaßt. Wenn das so ist, kann ich sie vielleicht entdecken.
Ich benutze beide Sichten und fange eifrig zu suchen an. Der Hunger in mir, an meine Arbeit zurückzukehren, ist noch stark, aber ich versuche, ihn zu ignorieren.
Operationsleiter Ted Forester stand auf der anderen Seite des Kontrollraums und beobachtete die Stromstärkemonitore, als Vic O’Brian lakonisch verkündete:
„Störung in Nummer 27. Starke Störung.“
Forester stand mit vier Schritten an seiner Seite. Der Indikator blinkte tatsächlich rot – die Daten erschienen bereits auf dem Schirm. „Verdammt“, murmelte Forester in sich hinein, während er die Zahlen überflog.
„Stößt nicht das geringste aus“, meinte O’Brian mit kaum verhülltem Widerwillen. „Das ist seit drei Wochen das viertemal, daß er keine Leistung bringt.“
„Ich kann zählen“, sagte Forester kurz. Es war ihm bewußt, daß die anderen beiden Techniker ihre Unterhaltung unterbrochen hatten und wortlos zuhörten. „Haben Sie es schon mit einem Vitalisierungszusatz versucht?“
„Ich glaube nicht, daß das diesmal viel nützen wird.“ O’Brian tippte auf eine Zahl auf dem Schirm. „Der hat schon alles, was er braucht. Ich meine, es wäre an der Zeit, den hier zu terminieren: Der macht uns nichts als Schwierigkeiten.“
Forester nahm sich streng zusammen, während die Angst zum erstenmal ihre heißen Finger nach seinem Magengeschwür ausstreckte. „Wir wollen nicht gleich gar so weit gehen. Wir versuchen es erst mit einem Vita-Zusatz – doppelte Stärke.“
Er wartete schweigend, während O’Brian die Einstellung vornahm und den entsprechenden Knopf drückte. „Nichts“, sagte der Techniker.
„Lassen Sie ihm eine Minute“, sagte Forester. Seine Augen hingen an den Strahlungsangaben über das Band beim Standort von 27. Na los, bedrängte er ihn wortlos, und einen Moment lang stiegen die Zahlen langsam an. Es hielt jedoch nicht an; die Zahlen senkten sich unregelmäßig und ruckartig, bis sie nur noch die normale Strahlung von radioaktivem Abfall zeigten.
Forester ließ einen langen Atemzug ab, der halb Schnarchen und halb Seufzen war. Er reichte über O’Brians Schulter und rief die Biodaten von 27 ab. Atmung: normal; Herzschlag: zwei oder drei Schläge schneller …
„He, der kleine Scheißer versucht sich zu
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