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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schweineschulter mit Linsen auf der Karte stand. Schweineschulter mit Linsen macht mich völlig nieder. Absolute Hoffnungslosigkeit. Und das voll am Ende von Phase 1. Wirklich ein Unglück, diese verdammte Schweineschulter.«
    »Und der Sonntag?«
    »Sonntag dagegen ist Phase 3. Der Tag zählt allein als vollständige Wochenphase, das zeigt schon, wie wichtig er ist. Phase 3 ist regellose Flucht. Wenn sich eine Schweineschulter mit Linsen mit einer Phase 3 verbindet, bleibt in Wahrheit nur noch Abtreten.«
    »Wo waren wir?« fragte Adamsberg, der den plötzlichen und gar nicht unangenehmen Eindruck hatte, sich in dieser Frau noch stärker zu verirren als in sich selbst.
    »Wir waren nirgends.«
    »Ach, richtig, nirgends.«
    »Jetzt fällt's mir wieder ein«, sagte Mathilde. »Da meine Phase l also mehr oder minder hin war, habe ich mir, als ich an Ihrem Polizeihaus vorbeigekommen bin, gedacht, hin ist hin, da kann ich's auch gut drauf ankommen lassen. Aber Sie sehen ja, der Versuch, eine Phase l an ihrem Ende zu retten, ist verlockend, bringt jedoch nichts. War's bei Ihnen gut?«
    »Nicht schlecht«, räumte Adamsberg ein.
    »Meine Phase l der letzten Woche hätten Sie sehen müssen, phantastisch!«
    »Was ist da passiert?«
    »Ich kann das nicht so einfach zusammenfassen, dazu müßte ich meine Notizbücher sehen. Na ja, ab morgen ist jedenfalls Phase 2, da werden wir die Zügel ein bißchen lockern können.«
    »Morgen sehe ich einen Psychiater. Ist das ein guter Anfang für eine Phase 2?«
    »Verdammt, als Patient?« fragte Mathilde. »Nein, ich bin blöd, unmöglich. Ich denke mir, selbst wenn Sie die Manie hätten, gegen alle Straßenlaternen auf dem linken Bürgersteig zu pinkeln, würden Sie sich sagen: ›Was auch geschieht, möge Gott die Straßenlaternen und die linken Bürgersteige erhalten‹, aber Sie würden nicht zu einem Psychiater gehen, um herauszufinden, warum. Und außerdem - Scheiße, ich rede zuviel. Mir reicht's. Ich ermüde mich selbst.«
    Mathilde nahm sich eine Zigarette von ihm, fragte: »Darf ich?« und kniff den Filter ab.
    »Vielleicht gehen Sie wegen dem Mann mit den blauen Kreisen zu dem Psychiater«, fügte sie hinzu. »Sehen Sie mich nicht so an, ich habe nicht herumspioniert, wissen Sie; allerdings liegen da unter dem Fuß Ihrer Lampe die Zeitungsausschnitte, und da frage ich mich natürlich...«
    »Es stimmt«, gab Adamsberg zu, »deswegen gehe ich zu ihm. Warum sind Sie ins Kommissariat gekommen?«
    »Ich suche einen Typen, den ich nicht kenne.«
    »Warum suchen Sie ihn dann?«
    »Weil ich ihn nicht kenne, was für eine Frage!«
    »Natürlich«, sagte Adamsberg.
    »Ich habe eine Frau auf der Straße verfolgt, und dann hab ich sie verloren. Daraufhin habe ich ein bißchen im Café herumgesessen, und so bin ich dem schönen Blinden begegnet. Unglaublich, was es so alles für Leute auf der Straße gibt. Man weiß nicht mehr, wo einem der Kopf steht, man müßte allen folgen, um es richtig zu machen. Wir, der schöne Blinde und ich, haben eine Weile miteinander geredet, über was, weiß ich nicht mehr, dazu müßte ich meine Notizbücher hernehmen, und am Ende hat mir dieser Mann gefallen. Normalerweise mache ich mir keine Sorgen, wenn mir jemand gefallen hat, ich bin mir sicher, daß ich ihm wieder begegnen werde. Aber in diesem Fall: nichts. Letzten Monat habe ich achtundzwanzig Leute verfolgt und neun Verstecke gehabt. Ich habe zweieinhalb Notizbücher gefüllt. Das gibt einem ganz schön Zeit, was zu sehen von der Welt, nicht wahr? Na ja, jedenfalls nichts, auch nicht das kleinste Fitzelchen von dem Blinden. So ein Mißerfolg ist schwer zu verdauen. Er heißt Charles Reyer, das ist alles, was ich von ihm weiß. Sagen Sie mal, zeichnen Sie eigentlich immer?«
    »Immer.«
    »Ich vermute, ansehen darf man es sich nicht.«
    »Stimmt. Man darf nicht.«
    »Es ist lustig, wenn Sie sich auf Ihrem Stuhl umdrehen. Ihr linkes Profil ist streng, und Ihr rechtes Profil ist weich. Das hat zur Folge, daß Sie sich so rum drehen, wenn Sie einem Verdächtigen Angst machen wollen, oder anders rum, wenn Sie jemanden anrühren wollen.«
    Adamsberg lächelte.
    »Und wenn ich mich die ganze Zeit so rum und dann so rum drehe?«
    »Dann weiß man nicht mehr, woran man ist. Hölle und Paradies.«
    Mathilde fing an zu lachen. Dann besann sie sich.
    »Nein«, sagte sie erneut, »ich rede zuviel. Das beschämt mich. ›Mathilde, du redest kreuz und quer irgendwas Beliebiges‹, sagte mir mal ein Freund, der

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