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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bücher in Blindenschrift zu überprüfen, diese Milliarden von winzigen Löchern, die zur Haut seiner Finger sprachen. Vor allem war er es leid, verzweifelt den Originellen zu spielen, nur weil er das Augenlicht verloren hatte und außergewöhnlich sein wollte, um diese Tatsache vergessen zu machen. Ja, genau wie mit dieser symphatischen Frau neulich, die im Café Saint-Jacques neben ihm gesessen hatte. Diese Frau war intelligent, sicherlich ein bißchen aus den Gleisen geraten, auch wenn er eigentlich daran zweifelte, aber liebevoll und lebhaft, das war offensichtlich. Und was hatte er getan? Er hatte versucht, den Originellen zu spielen, wie gewöhnlich. Ungewöhnliche Sätze zu sagen mit dem einzigen Ziel, daß man denkt, ach, dieser Typ da ist zwar blind, aber er ist kein gewöhnlicher Mensch.
    Und die Frau war darauf eingegangen. Sie hatte versucht, das Spiel mitzuspielen, so schnell wie möglich auf seinen Wechsel von gespielten Herzensergüssen und Rüpelhaftigkeit zu reagieren. Sie aber war dabei aufrichtig gewesen, sie hatte die Geschichte mit dem Hai erzählt, einfach so, offenherzig, einfühlsam, hilfsbereit, wobei sie seine Augen ansehen wollte, um ihm zu sagen, wie das aussah. Er aber, allein mit dem aufsehenerregenden Eindruck beschäftigt, den er hervorzurufen beabsichtigte, zerstörte alle Herzensregungen, weil er für einen klarsichtigen und zynischen Denker gehalten werden wollte. Nein wirklich, Charles, dachte er, das hast du schlecht gemacht. Mit all deinen Bluffs bist du nicht mal mehr in der Lage zu beurteilen, ob du irgend etwas Vernünftiges im Kopf hast.
    Und was war das für eine Art, auf der Straße neben den Leuten herzulaufen, um ihnen Angst zu machen, diese armselige Macht über sie auszuüben, oder sich ihnen bei Rot mit deinem weißen Stock zu nähern und sie zu fragen: »Darf ich Sie über die Straße führen?«, natürlich um sie in Verlegenheit zu bringen und von deinem Status als Unberührbarer zu profitieren. Die armen Leute trauen sich dann nichts zu sagen, sie bleiben am Rand des Bürgersteigs stehen und sind kreuzunglücklich. Du rächst dich, genau das tust du, Charles. Du bist nichts anderes als ein hochgewachsener kleiner Dreckskerl. Und diese Frau, diese Königin Mathilde, sitzt ganz aufrichtig da und sagt dir sogar noch, daß du schön bist. Und ich bin nicht einmal in der Lage, ihr zu zeigen, daß mich das ein bißchen glücklich macht, oder ihr dafür zu danken.
    Charles blieb tastend an einer Bordsteinkante stehen. Jemand neben ihm konnte die Stofflappen sehen, die in den Rinnstein gelegt werden, um das Wasser zu leiten, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, wie phantastisch das war. Scheißlöwin. Er hatte Lust, seinen weißen Stock aufzuklappen und mit einem fiesen Lächeln zu fragen: »Darf ich Sie über die Straße führen?« Er hielt sich die Erinnerung an die Stimme von Mathilde vor, die ihm ohne Bosheit sagte: »Sie sind ein anstrengender Mensch.« Und er wandte sich um.
     
    ***
     
    Danglard hatte versucht, dagegen anzukämpfen. Aber am nächsten Morgen stürzte er sich auf die Zeitungen, wobei er die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen und all den Kram, der ihn sonst interessierte, links liegen ließ.
    Nichts. Nichts über den Mann mit den Kreisen. Es gab keinerlei Grund, weshalb die Angelegenheit täglich die Aufmerksamkeit eines Journalisten auf sich ziehen sollte.
    Ihn allerdings hatte es gepackt.
    Seine Tochter, der erste Zwilling der zweiten Zwillinge, die sich am stärksten dafür interessierte, was ihr Vater erzählte, wobei sie ihm regelmäßig vorhielt: »Papa, hör auf zu trinken, du hast so schon einen ziemlich dicken Hintern«, hatte gestern abend gesagt: »Dein neuer Chef hat einen komischen Namen. Der heilige Johannes der Täufer vom Berge Adams, wenn man's übersetzt. Ein komisches Programm. Aber im Grunde gefällt er mir, wenn er dir gefällt. Zeigst du ihn mir irgendwann?« Tatsächlich war Danglard so voller Liebe für seine vier Zwillinge, daß er vor allem siegern Adamsberg gezeigt und gern gehabt hätte, daß dieser sagen würde: »Sie sehen aus wie Engel.« Aber er war sich nicht sicher, ob sich Adamsberg für seine Kleinen interessieren würde. »Meine Kleinen, meine Kleinen«, sagte sich Danglard. »Meine Lieblinge.«
     
    Vom Büro aus rief er alle Kommissariate der verschiedenen Arrondissements an, um zu erfahren, ob einer der Streifenbeamten einen Kreis gesehen hätte, einfach so, wo sich doch alle darüber

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