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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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amüsierten. Seine Fragen riefen Erstaunen hervor, er erklärte, das sei für einen befreundeten Psychiater, eine kleine Gefälligkeit, die er ihm so nebenbei erweise. Ach so, ja dann, die Bullen kannten diese kleinen Gefälligkeiten, um die man ständig gebeten wurde.
    In der Nacht waren in Paris zwei neue Kreise erschienen. Der erste war in der Rue du Moulin-Vert gezeichnet worden, ein Streifenpolizist aus dem 14. Arrondissement, der sich über seinen Rundgang freute, hatte ihn entdeckt. Der andere war im selben Viertel in der Rue Froidevaux von einer Frau gemeldet worden, die ins Kommissariat gekommen war, um sich zu beschweren, weil sie der Meinung war, jetzt würde es allmählich reichen.
    Danglard ging nervös und ungeduldig die Treppe hinauf und betrat das Büro von Conti, dem Fotografen. Conti war wie ein Soldat mit kleinen Taschen und Schulterriemen behängt und bereit aufzubrechen. Da Conti schwächlich war, dachte Danglard, daß ihm diese ganze Apparatur voller Knöpfe und respektheischender Technik Sicherheit geben mochte, aber in Wirklichkeit wußte er sehr gut, daß Conti nicht so blöd war, eigentlich überhaupt nicht. Zunächst fuhren sie zur Rue du Moulin-Vert: ein weiter blauer Kreis mit der schönen Schrift drumherum. Nicht ganz in der Mitte lag ein Stück von einem Uhrarmband. Warum so große Kreise für so kleine Dinge? fragte sich Danglard. Diese Unverhältnismäßigkeit war ihm bislang nicht aufgefallen.
    »Rühr das nicht an!« rief er Conti zu, der in den Kreis trat, um sich die Sache genauer anzusehen.
    »Was denn?« fragte Conti. »Das Uhrarmband ist doch nicht umgebracht worden! Ruf doch gleich den Gerichtsmediziner, wo du schon dabei bist.«
    Achselzuckend verließ er den Kreis wieder.
    »Frag nicht weiter«, sagte Danglard. »Er hat gesagt, es soll in dem Zustand fotografiert werden, also mach es bitte.«
    Allerdings dachte Danglard, während Conti fotografierte, daß Adamsberg ihn in eine ziemlich lächerliche Situation brachte. Wenn ein Bulle des zuständigen Kommissariats hier unglücklicherweise vorbeikäme, hätte er guten Grund zu der Behauptung, das 5. Arrondissement ginge ganz entschieden zu weit, hier Uhrarmbänder zu fotografieren. Und Danglard dachte, daß das Kommissariat des 5. Arrondissements tatsächlich ganz entschieden verrückt zu werden drohte, und er mit ihm. In der Zwischenzeit hatte er noch nicht einmal sein Verfahren mit Patrice Vernoux zu Ende gebracht, was er als allererstes hätte tun sollen. Sein Kollege Castreau dürfte sich ziemlich wundern.
    In der Rue Emile-Richard, dieser trostlosen, geraden Schneise mitten durch den Friedhof von Montparnasse, verstand Danglard, warum sich eine Frau bei der Polizei beschwert hatte, und er war beinahe erleichtert, das zu entdecken.
    Die Sache war größer geworden.
    »Hast du gesehen?« fragte er Conti.
    Der blaue Kreis vor ihnen umgab die Überreste einer überfahrenen Katze. Keinerlei Blut war geflossen, die Katze mußte bereits seit einigen Stunden tot gewesen und in einem Rinnstein aufgesammelt worden sein. Das Bündel schmutziger Haare in dieser düsteren Straße, der Kreis und das »Victor, sieh dich vor, was treibst du jetzt noch vor dem Tor?« wirkten ziemlich morbide. Man hätte meinen können, eine groteske Hexenszene vor sich zu haben.
    »Ich bin fertig«, sagte Conti.
    Es war vielleicht blöd, aber Danglard hatte den Eindruck, daß Conti ein bißchen beeindruckt war.
    »Ich auch«, sagte Danglard. »Ich bin auch fertig. Komm, wir verschwinden, wir brauchen den Typen vom hiesigen Kommissariat nicht gerade hier zu begegnen.«
    »Stimmt«, bemerkte Conti. »Wofür würden die uns halten?«
     
    Adamsberg hörte sich Danglards Bericht gleichmütig an, ließ dabei die Zigarette zwischen den Lippen qualmen und hatte die Augen halb geschlossen, damit der Qualm ihn nicht reizte. Seine einzige Beschäftigung bestand darin, ab und zu mit den Zähnen an einem Fingernagel herumzukauen. Und da Danglard anfing, die Persönlichkeit seines Vorgesetzten ein wenig zu erfassen, verstand er, daß Adamsberg die Entdeckung in der Rue Emile-Richard in ihrer richtigen Bedeutung zur Kenntnis genommen hatte.
    Aber welche Bedeutung? Zu diesem Punkt äußerte sich Danglard noch nicht. Die Art und Weise, wie Adamsbergs Denken funktionierte, blieb ihm rätselhaft und furchterregend. Manchmal - aber nie länger als eine Sekunde - sagte er sich: »Geh ihm aus dem Weg.«
    Aber er wußte, daß er ihn verteidigen müßte, sobald man im

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