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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Wie soll ich sagen, betrachten Sie sich mal in einem Spiegel, dann verstehen Sie schon von allein.« Abends hatte er mißmutig, weil er hellhäutige, hochgewachsene Gestalten liebte, seinen kleinen, stämmigen, dunklen Körper betrachtet, und am nächsten Tag hatte er gesagt: »Ich habe mich vor den Spiegel gestellt, ich habe hineingesehen, aber ich habe nicht richtig verstanden, was Sie meinen.«
    »Adamsberg«, hatte die Inspektorin etwas müde, etwas überfordert erwidert, »warum sagen Sie solche Sachen? Warum fragen Sie so was? Wir arbeiten an einem Uhrendiebstahl, das ist alles, was es zu wissen gibt, und ich habe nicht die Absicht, über Ihren Körper zu reden.« Und sie hatte hinzugefügt: »Ich werde nicht bezahlt, um über Ihren Körper zu reden.«
    »Schon gut«, hatte Jean-Baptiste gesagt, »regen Sie sich nicht so auf.«
    Eine Stunde später hatte er gehört, wie die Schreibmaschine innehielt und die Inspektorin nach ihm rief. Sie war verstimmt. »Klären wir das«, hatte sie gesagt, »sagen wir, es ist der Körper eines Waldkindes, das ist alles.« Er hatte geantwortet: »Wollen Sie sagen, er sei primitiv, er sei häßlich?« Da war sie ihm noch überforderter vorgekommen. »Bringen Sie mich nicht dazu zu sagen, Sie seien schön, Adamsberg, aber Sie haben Anmut genug, kommen Sie damit im Leben zurecht«, und Müdigkeit und Zärtlichkeit hatten in ihrer Stimme gelegen, dessen war er sicher. So sicher, daß er sich noch mit einem leichten Kribbeln daran erinnerte, vor allem, weil das mit ihr nie wieder vorgekommen war. Er hatte mit klopfendem Herzen auf die weitere Entwicklung gewartet. Vielleicht würde sie ihn küssen, vielleicht, aber sie hörte auf, ihn zu duzen, und sie hatte nie mehr etwas dazu bemerkt. Nur dies noch, und sie sagte es irgendwie hoffnungslos: »Und Sie haben nichts bei der Polizei verloren, Jean-Baptiste. Die Polizei ist nicht der Wald.«
    Sie hatte sich getäuscht. Im Lauf der folgenden fünf Jahre hatte er Schlag auf Schlag vier Morde aufgeklärt - auf eine Weise, die seine Kollegen verblüffend fanden, das heißt ungerecht und provozierend. »Du tust keinen Strich, Adamsberg«, sagten sie ihm, »du sitzt da, trödelst rum, träumst, betrachtest die Wände, kritzelst auf den Knien kleine Skizzen auf Zettel, als ob du die Weisheit gepachtet und das ganze Leben vor dir hättest, und dann kommst du eines Tages unbekümmert und freundlich an und sagst: ›Man sollte den Herrn Pfarrer verhaften, er hat den Kleinen erwürgt, damit er nicht redet.«
    Auf diese Weise war das Waldkind mit den vier Morden zunächst Inspektor geworden, dann Kommissar, und kritzelte noch immer stundenlang winzige Zeichnungen auf den Knien, auf völlig unförmigen Hosen. Vor zwei Wochen hatte man ihm Paris vorgeschlagen. Er hatte seinen mit Graffiti übersäten Schreibtisch hinter sich gelassen, den er zwanzig Jahre lang vollgekritzelt hatte, ohne daß das Leben ihn je ermüdet hätte.
    Und dennoch, was konnten die Leute ihn manchmal nerven! Als ob er zu häufig im voraus wüßte, was er hören würde. Und jedes Mal dachte er: ›Jetzt wird der Typ das und das sagen‹, und er ärgerte sich über sich selbst, er fand sich unausstehlich, und das noch mehr, wenn der Typ es tatsächlich sagte. Dann litt er und flehte, irgendein Gott möge ihm eines Tages die Überraschung und nicht das Wissen gewähren.
    Jean-Baptiste Adamsberg rührte in seinem Kaffee, er saß in einem Bistrot auf der Straßenseite gegenüber seinem neuen Kommissariat. Wußte er jetzt besser, warum man ihn für einen Wäldler gehalten hatte? Ja, er sah in der Sache schon ein bißchen klarer, aber die Leute reden ja auch einfach so drauflos. Er vor allem. Eins jedenfalls war sicher, daß allein Paris in der Lage war, ihm die Welt der Steine wiederzugeben, die er brauchte, wie ihm klar wurde.
    Paris, die Stadt aus Stein.
    Natürlich gab es hier auch Bäume, das war unvermeidlich, aber sie waren einem egal, er brauchte sie einfach nur nicht anzusehen. Und die Grünanlagen müßte er einfach nur meiden, und alles liefe gut. In Sachen Vegetation mochte Adamsberg ausschließlich kümmerliche Büsche und unterirdisch wachsendes Gemüse. Sicher war auch, daß er sich offensichtlich gar nicht so verändert hatte, denn die Blicke seiner neuen Kollegen erinnerten ihn an die in den Pyrenäen vor zwanzig Jahren, es war dieselbe diskrete Bestürzung, die hinter seinem Rücken gemurmelten Worte, ein gewisses Kopfschütteln, verärgert zusammengekniffene

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