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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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Lippen und die zum Zeichen der Machtlosigkeit ausgebreiteten Arme. All diese lautlosen Reaktionen, die ausdrückten: Was ist das bloß für einer?
    Er hatte behutsam und ruhig gelächelt, behutsam und ruhig hatte er die Hände geschüttelt, hatte erklärt und zugehört, weil Adamsberg immer alles behutsam und ruhig machte. Aber nach elf Tagen näherten sich ihm seine Kollegen noch immer mit dem Ausdruck von Menschen, die sich fragen, mit welcher neuen Gattung sie es hier nun eigentlich zu tun haben, womit man ihn wohl füttern, wie man wohl mit ihm reden müßte, wie man ihn wohl zerstreuen oder Interesse bei ihm wecken könnte. Seit elf Tagen war das Kommissariat des 5. Arrondissements in Gewisper versunken, als ob ein heikles Geheimnis das normale Leben hätte innehalten lassen.
    Der einzige Unterschied zu Adamsbergs Anfängen in den Pyrenäen lag darin, daß sein guter Ruf die Dinge jetzt ein wenig einfacher machte. Aber darüber vergaß man trotzdem nicht, daß er von anderswo herkam. Gestern hatte er den ältesten Pariser der Truppe leise sagen hören: »Er kommt aus den Pyrenäen, verstehst du, also quasi vom Ende der Welt.«
    Adamsberg hätte seit einer halben Stunde im Büro sein müssen, aber er saß noch immer im Bistrot gegenüber und rührte in seinem Kaffee.
    Nicht, daß er es sich erlaubte, zu spät zu kommen, weil ihm heute, mit fünfundvierzig, ein gewisser Respekt entgegengebracht wurde. Er war schon mit zwanzig immer zu spät gekommen. Sogar bei seiner Geburt war er sechzehn Tage zu spät dran gewesen. Adamsberg hatte keine Uhr, aber er war auch nicht in der Lage zu erklären, warum nicht, er hatte nichts gegen Uhren. Auch nicht gegen Schirme. Eigentlich gegen gar nichts. Nicht, daß er nur das hätte tun wollen, was er mochte, es lag einfach daran, daß er sich nicht zu etwas zwingen konnte, wenn seine Stimmung etwas Gegenteiliges bevorzugte. Das hatte er noch nie gekonnt, nicht einmal, als er der schönen Inspektorin gefallen wollte. Nicht einmal für sie. Man hatte gesagt, Adamsberg sei ein hoffnungsloser Fall, und manchmal war das auch seine Ansicht. Aber nicht immer.
    Und heute war seine Stimmung so, daß er langsam in einem Kaffee rühren mußte. Vor drei Tagen war jemand in seinem Stofflager ermordet worden. Seine Geschäfte schienen so zwielichtig, daß drei von den Inspektoren seine Kundenkartei durchforsteten, in der Überzeugung, den Mörder darin zu finden.
    Adamsberg machte sich um den Fall keine allzu großen Sorgen, seitdem er die Familie des Toten gesehen hatte. Seine Inspektoren suchten einen betrügerischen Kunden, sie hatten sogar eine ernsthafte Spur, und er sah sich den Stiefsohn des Toten an, Patrice Vernoux, ein hübscher Kerl, dreiundzwanzig, zart, romantisch. Mehr machte er nicht, er sah ihn sich einfach nur an. Er hatte ihn schon dreimal aus verschiedenen Gründen ins Kommissariat bestellt und ließ ihn von egal was erzählen: Was er von der Glatzköpfigkeit seines Stiefvaters halte, ob ihn das anwidere, ob er Stoffabriken möge, was er darüber dächte, wenn es einen Streik der Elektrizitätswerke gäbe, wie er es sich erkläre, daß sich so viele Leute für Ahnenforschung interessierten.
    Beim letzten Mal, gestern, war das Gespräch folgendermaßen abgelaufen:
    »Finden Sie sich schön?« hatte Adamsberg gefragt.
    »Es fällt mir schwer, nein zu sagen.«.
    »Sie haben recht.«
    »Könnten Sie mir sagen, warum ich hier bin?«
    »Ja. Wegen Ihres Stiefvaters natürlich. Es hat Sie doch gefuchst, daß er mit Ihrer Mutter schlief, haben Sie mir gesagt?«
    Der Junge zuckte mit den Schultern.
    »Ich hätte sowieso nichts dagegen tun können, außer ihn umzubringen, und das habe ich nicht getan. Aber es stimmt, mir wurde davon schon ein bißchen übel. Mein Stiefvater war eine Art Wildschwein. Mit Haaren bis in die Ohren, wirklich, das geht mir nicht in den Kopf. Würde Ihnen das Spaß machen?«
    »Ich habe keine Ahnung. Eines Tages habe ich gesehen, wie meine Mutter mit einem Klassenkameraden von mir geschlafen hat. Dabei war der arme Liebling ansonsten eigentlich eher treu. Ich habe die Tür wieder zugemacht und erinnere mich, daß das einzige, woran ich gedacht habe, der grüne Leberfleck war, den der Junge auf dem Rücken hatte, und daß Maman das vielleicht gar nicht gesehen hat.«
    »Ich verstehe nicht recht, was das mit mir zu tun hat«, hatte der Junge verlegen gebrummt. »Wenn Sie mutiger sind als ich, dann ist das Ihre Angelegenheit.«
    »Nein, aber das ist nicht weiter

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