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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Fotos, die links und rechts der Pendeluhr arrangiert sind, ebenfalls über dem Schreibtisch. Johanna öffnet derweil den Uhrenkasten, um hineinzuschauen (wie eine Katze in eine finstere Stiefelöffnung schaut). Hinterher zieht sie am Aufbau des Schreibtischs kleinere Schubladen heraus.
    – Wer ist das? fragt sie zwischendurch.
    – Das rechts ist Onkel Otto.
    Zum linken Foto sagt Philipp nichts, Johanna muß auch so Bescheid wissen. Aber er nimmt das Foto von der Wand, damit er es aus der Nähe betrachten kann. Es zeigt seine Mutter 1947, elfjährig, abseits der Dreharbeiten zum Film Der Hofrat Geiger , wie sie der Donau beim Fließen zusieht. Ein Ausflugsboot steuert flußabwärts, hinter Dieselqualm. Im Off singt Waltraud Haas zur Zither Mariandl-andl-andl .
    – Wollte deine Mutter auch später noch Schauspielerin werden? fragt Johanna.
    – Ich war zu jung, als sie starb, daß ich mich mit ihr darüber unterhalten hätte.
    Und er weiß auch nicht, wen er statt seiner Mutter fragen soll, denn sein Vater schaut ihn großäugig an, und er selbst besitzt nicht die Entschiedenheit, weiter zu bohren, vermutlich, weil er gar nicht bohren will. Zu unangenehm ist es ihm, daß er von seiner Mutter das allermeiste nicht weiß. Jedes Nachdenken Stümperei, beklemmend, wenn er sich den Aufwand an Phantasie ausmalt, der nötig wäre, sich auszudenken, wie die Dinge gewesen sein könnten .
    Er wischt den Gedanken weg und sagt, damit Johanna ihn reden hört:
    – Mir kommt trotzdem vor, ein wenig waren sie alle Schauspielerinnen. Alle dieser Waltraud-Haas-Typus, blond, nett und optimistisch. Nur die Männer waren nicht wie die Männer im Heimatfilm. Ich nehme an, das war die spezielle Tragik.
    – Und weiter?
    – Dazu habe ich längst alles gesagt. Die Ehe meiner Eltern war nicht das, was man glücklich nennt. Ein ziemlich lausiges Weiter.
    Er macht eine Pause und benutzt die Gelegenheit, seine Hand in Johannas Nacken zu schieben.
    – Ich finde es ausgesprochen sinnlos, hier etwas nachholen zu wollen. Da denke ich lieber über das Wetter nach.
    Philipp küßt Johanna, ohne auf Widerstand oder Erwiderung zu stoßen.
    Über das Wetter vom Tag, das Johanna in ihren Haaren mitbringt, über das Wetter der kommenden Tage, das aus den Ausdrucken, den Tabellen und Computersimulationen in ihrer Tasche zu erschließen sein müßte.
    – Über das Wetter statt über die Liebe statt über das Vergessen statt über den Tod.
    – Sonst fällt dir nichts ein? fragt Johanna, die Meteorologin, halb lachend, wobei sie ungnädig-gnädig den Kopf schüttelt. Und weil das etwas ist, was Philipp an ihr kennt, fühlt er sich ihr einen Moment lang näher. Ebenfalls halb lachend, aber säuerlich, hebt er die Schultern, wie um sich zu entschuldigen, daß er nichts Besseres anzubieten hat oder anbieten will.
    – Aber was rede ich, fügt Johanna hinzu, familiäre Unambitioniertheit ist bei dir ja nichts Neues.
    Andererseits hat Philipp schon öfters versucht, ihr beizubringen, daß sie die Sache nicht ganz von der richtigen Seite betrachtet. Schließlich ist es nicht seine Schuld, daß man vergessen hat, ihn in puncto Familie rechtzeitig auf den Geschmack zu bringen.
    – Ich beschäftige mich mit meiner Familie in genau dem Maß, wie ich finde, daß es für mich bekömmlich ist.
    – Schaut aus wie Nulldiät.
    – Wonach immer es ausschaut.
    Er hängt das Foto, das seine Mutter als Mädchen zeigt, an den Nagel zurück, als Hinweis, daß er es vorziehen würde, den Rundgang durchs Haus in einem anderen Zimmer fortzusetzen. Er geht zur Tür. Als er sich nach Johanna umblickt, schüttelt sie den Kopf. Mißbilligend? Frustriert? Na ja, er weiß aus eigener Erfahrung, manchmal redet man wie gegen eine Wand. Schluck’s runter, denkt er. Johanna fixiert ihn für einen Moment, dann will sie wissen, ob sie die Pendeluhr geschenkt haben könne.
    – Meinetwegen.
    – Liegt dir vielleicht doch an dem Zeug?
    – Nein. Nur hab ich nicht einmal Lust, es zu verschenken.
    – Dann laß es, mein Gott, ich muß die Uhr nicht unbedingt haben.
    – Weil du schon eine hast.
    – Weil ich schon eine habe, stimmt genau.
    Und wieder das Stiegenhaus, Herrenzimmer, Nähzimmer, die Veranda, Stiegenhaus, die teppichbelegte Treppe, zwei Hände beim flüchtigen Polieren einer Kanonenkugel, die in jeder anständigen Familie den Punkt markieren würde, bis zu dem man sich zurückerinnern kann.
    Was Philipp jetzt einfällt, ist, daß ihn die Großmutter während

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