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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Brot und Margarine, für Milch und für unsere Kinder. Schluss mit den Hungerlöhnen!»
    «Schluss mit den Hungerlöhnen!», kam das Echo aus den Kehlen seiner 140 Kollegen, Kohlenträger und Kutscher, die sich um sechs Uhr morgens auf dem ausgedehnten Lagerplatz versammelt hatten.
    Dlugy machte eine kleine Pause und sah zum Bahnhof Beusselstraße hinüber, wo gerade ein Ringbahnzug abgefertigt wurde. Aus dem Schornstein der Lokomotive schossen mit Urgewalt Rauchwolken in den diesigen Himmel. Auf die zeigte er mit großer Geste. «Da seht ihr es: Die Kohle ist es, die in dieser Welt alles in Gang hält, unsere Kohle. Ohne sie bleiben alle Züge stehen, gibt es keine Elektrizität und kein Gas, können wir uns kein Essen kochen, erfrieren wir alle. Und wie dankt man uns das? Mit Hungerlöhnen!»
    «Pfui!», schrien alle. «Wir wollen mehr Geld!»
    Dlugy informierte sie darüber, dass die Lohnkommission der beteiligten Gewerkschaften von der Firmenleitung aus dem Kontor gewiesen worden war. «Rausgeworfen hat man uns, als wir gefordert haben, den Stundenlohn von 43 auf 50 Pfennig heraufzusetzen. Das ist eine Schande, denn wir arbeiten mehr als alle anderen - zwölf Stunden am Tag.»
    «Vierzehn!», riefen die Kutscher.
    «Vierzehn», wiederholte Dlugy. «Zwölf bis vierzehn. Und darum sage ich in Richtung dieser Firmenleitung: Wer nicht hören will, muss fühlen! Muss fühlen, dass er kein Geld mehr in die Kassen bekommt, wenn wir die Arbeit niederlegen.»
    «Streik! Wir streiken!»
    So wurde es einstimmig beschlossen. Dlugy war zufrieden mit seinem Auftritt und machte sich daran, die Streikposten zu organisieren. Als das erledigt war, setzte er sich auf sein Rad und fuhr zu seiner Stammkneipe in der Rostocker Straße, die bei der Polizei als Anarchistentreff verschrien war.
    «Wenn det mal nich der Funke is, der det Pulverfass in de Luft jehn lässt», sagte der Wirt, als ihm Dlugy von der Ausrufung des Streiks der Kohlenarbeiter berichtet hatte. «In janz Moabit brodelt et mächtig. Und pass uff, wat ick dir sage: Et wird ooch Tote jeben.»
    «Da kannste jetrost eenen druff lassen», fügte sein Zapfer hinzu.

DREI
Dienstag, 20. September 1910
    DIE FIRMA KUPFER & CO., zu deren Eigentümern auch der Großindustrielle und Zechenmagnat Hugo Stinnes gehörte, gab zu den Ereignissen auf ihrem Gelände eine knappe Erklärung ab, in der es unter anderem hieß:
    Am 15. September bekamen wir von dem Deutschen Transportarbeiter-Verband ein Schreiben, in dem, ohne dass vorher von Seiten der Arbeiterschaft eine Andeutung gemacht war, eine Lohnerhöhung von 43 Pfennig auf 50 Pfennig für die Stunde für Arbeiter und auf 33 von 30 Mark pro Woche für Kutscher gefordert wurde. Der Stundenlohn von 43 Pfennigen ist höher als der, der in fast allen Berliner Kohlengeschäften gezahlt wird. Deshalb war von vornherein das Ansinnen des Transportarbeiter-Verbandes nicht diskutabel. Trotzdem sind wir dem Ersuchen nachgekommen und haben das Schreiben dem Verband der Kohlenhändler unterbreitet und dem Transportarbeiter-Verband einen Vorbescheid gegeben, dass wir auf die Sache zurückkommen würden. Am 18. September ist diese Antwort im Besitz des Transportarbeiter-Verbandes gewesen, aber am 19. September um sechs Uhr früh erklärten die Arbeiter, nicht mehr arbeiten zu wollen, weil wir die Forderung nicht bewilligt hätten. Der Streik ist danach völlig vom Zaune gebrochen. Wir beschäftigen 150 Arbeiter und haben die größten Kohlenplätze in Berlin, es steht für uns außer Frage, dass die Arbeiter bei uns eine Machtprobe machen wollten.
    Und auf diese Machtprobe ließ man es gern ankommen. Einige willige Arbeiter fand man in der eigenen Firma, außerdem warb man über eine Hamburger Agentur fünfzig Kräfte an, sodass am Dienstagmorgen sechs Kohlenwagen den Platz in der Sickingenstraße verlassen konnten, eskortiert von fünfzig Berittenen und fünfzig Schutzleuten zu Fuß. Die wenigen Streikposten vermochten sie nicht aufzuhalten. Um fürderhin besser gewappnet zu sein, begannen diese, das Straßenpflaster aufzureißen.
    Paul Tilkowski, der zwar in der Sickingenstraße wohnte, aber auf einem anderen Moabiter Kohlenplatz arbeitete, verfolgte dies alles mit Kopfschütteln. Er war durch und durch unpolitisch, und wenn ihn ein Funktionär ansprach, ob er in die Gewerkschaft eintreten wolle, warf er ihm das nächstbeste Brikett an den Kopf. Der Streik der Moabiter Kohlenarbeiter interessierte ihn einen feuchten Kehricht. Er war froh, dass

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