Es grünt so grün
herauszukommen, denn wir konnten mit Leichtigkeit aus jedem Abschnitt des Grases befreit werden. Erneut war das Gras weich und angenehm, und Slafes Beschäftigung mit seinen Aufnahmen schien nun weder exzentrisch noch heroisch, sondern vielmehr angemessen und vernünftig. Wie Alice und die rote Königin fanden wir uns nun in der Lage, vergleichsweise einfach voranzukommen, da wir es aufgegeben hatten, einen bestimmten Punkt erreichen zu wollen. Wir verfolgten Slafes Aktivitäten mit Interesse und reagierten bereitwillig auf seine gebieterischen Handbewegungen, mit denen er uns Standorte und Posen zuwies, um in seine Aufnahmen einbezogen zu werden.
Aber unsere Fröhlichkeit wurde von einer neuen Periode der Mutlosigkeit abgelöst; wir wiederholten unsere ganzen komischen und verzweifelten Anstrengungen. Erneut kämpfte ich gegen das umgarnende Unkraut an, und erneut gab ich mich dem Tode hin, nur um im Moment meiner Aufgabe wiederbelebt zu werden.
Der Kameramann war von den Wellen der Angst und der Freude immer noch unberührt. Gewappnet mit einer seltsamen Hochstimmung, kniete er sich in seine Arbeit, obwohl ich inzwischen nicht mehr verstehen konnte – jedenfalls in jenen Momenten, in denen ich an etwas anderes als das Gras denken konnte –, welche neuen Motive er für seinen Film noch finden konnte. Nach oben und unten, in alle Himmelsrichtungen richtete er seine Kamera, eine irre Parodie auf alle Fotografen; sein Enthusiasmus war unvermindert und selbst von der Macht des Grases nicht zu beeinflussen. Der Wechsel in unseren Stimmungen nahm unmerklich einen anderen Charakter an: Die Spannen der Niedergeschlagenheit wurden länger, die Augenblicke der Hoffnung flüchtiger. Auch die Schafe wurden schließlich von der Unruhe angesteckt, blökten jämmerlich und machten keinen Versuch, weiter an dem Gras zu knabbern. Die Ziege zeigte, wie Slafe, keine Regung; sie verachtete die gefühlsgetriebenen Schafe.
Und da bemerkte ich entsetzt, daß physische Änderungen unsere Stimmungsschwankungen begleitet hatten. Der Durchmesser der Schüssel war derselbe wie am Anfang, aber die Vertiefung hatte sich allmählich gesenkt, hatte sich weiter vom Himmel entfernt; die Wände waren fast senkrecht geworden, und zu meinem Entsetzen blickte ich vom Grund einer Höhle in den zurückweichenden Himmel.
Ich vermute, jeder Mensch hat sich schon einmal vorgestellt, auf ewig eingesperrt, in ein dunkles Verlies geworfen und dem Tode überlassen zu werden. Solche Phantasien enthielten menschliches Zutun, menschliche Launen: selbst der unerbitterlichste Gefängniswärter könnte sich erweichen lassen. Aber das hier, das war eine Einkerkerung, die keine flehenden Bitten beenden konnte, wen sollten wir auch um Hilfe bitten, niemand könnte uns hören, das unaufhaltsame Verderben. Stumm, stetig und unmeßbar wurde der Schacht tiefer, wurden die Wände immer steiler.
Wie junge Katzen, die ersäuft werden, rutschten wir in wirrem Durcheinander auf dem Boden des Sacks herum, Menschen und Tiere gleichermaßen hilflos und verzweifelt. Zum Glück geschah es in einem der jetzt seltenen Momente der Hochstimmung, daß wir den Helikopter sahen, denn ich glaubte nicht, daß wir die geistige Kraft gehabt hätten, uns selbst zu helfen, wäre es in einer Periode der Niedergeschlagenheit geschehen. Gootes und ich schrien und winkten wild mit den Armen, während Slafe, der zum ersten Mal eine, wenn auch nur schwache, Regung zeigte, sich drehte, um die Kamera auf den Hubschrauber zu richten. Offenbar hatte uns der Pilot ohne Schwierigkeiten gesichtet, denn der Helikopter schwebte ruhig über dem Schacht, und eine Jakobsleiter entrollte sich, die von Stricken gehaltenen Holzsprossen baumelten zu uns herab.
„Der kreischenden Kreissäge entrissen, als der D-Zug über die Weiche donnerte und das Wasser unsere Nasen erreichte“, deklamierte Gootes. „W. R. hat einen bösartigen melodramatischen Sinn für den richtigen Zeitpunkt.“
Die Leiter hing direkt neben Slafe. Doch dieser arbeitete verbissener denn je und stieß sie zur Seite, also packte ich sie und stieg hoch. Paradoxerweise war mir das entsetzliche Gefühl des Aufstiegs höchst willkommen, denn das war eine ganz normale Angst, wie sie Menschen auf dem Schlachtfeld oder in den knarrenden Nachtstunden überfallt, die natürliche Furcht vor gewöhnlicher Gefahr und nicht die entwürdigende Panik, wie sie das gräßliche Unbekannte, das in dem Gras steckte, erzeugt.
Der Helikopter schwankte und
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