Es grünt so grün
dem Invasoren zu zerstören. In tropischer Hitze wurde die Arbeit mit übermenschlichem Tempo durchgeführt. Ganze Gruppen einheimischer Arbeiter wurden unter ihren Lasten ohnmächtig und von ungeduldigen Technikern, die nicht bereit waren, die für ihre Wiederbelebung notwendige Zeit aufzubringen, in die Luft gejagt. Als Mittel der Selbstverteidigung verdoppelten die südamerikanischen Staaten ihre Beiträge. Am Rande des Unkrauts waren alle Offensivwaffen der Welt versammelt, um so lange wie möglich zu bleiben, denn ein einziger Tag, ja eine einzige Stunde konnte unschätzbaren Wert haben.
Aber das Gras überstand die schwere Artillerie, die Flammenwerfer, die Bomben, die Radiumstrahlen und alle anderen Abwehrmittel. Die Kriegsgeräte, deren ständige Verbesserung der Stolz der menschlichen Rasse war, stellten für das Gras kein größeres Hindernis dar wie ein paar Ameisenhaufen für eine Herde von flüchtenden Elefanten. Es jagte bis zum Rand des Grabens – und verharrte an dem fünfzig Meilen weiten Salzwasser, das zwischen dem Gras und der gestaltlosen Insel lag, die immer noch zur Bildung eines Brückenkopfes vor dem jetzt enorm vergrößerten Panamakanal verlockte.
Wenn die mit der Arbeit Betrauten, vom Chefkoordinator bis zum schwitzenden Wasserträger, schon vorher wie Verrückte gearbeitet hatten, so arbeiteten sie jetzt wie dreifach Verrückte, denn der Feind könnte einen einzelnen Samen auf das einstmalige Costa Rica blasen und alles bisher Erreichte zunichte machen. Die Explosionen rissen nicht ab und erschütterten das kleiner werdende Territorium mit endlosen Erdbeben. Nach einer Stunde Arbeit taumelten die Männer davon, taub, halbblind, einem Nervenschock nahe.
Auf der südamerikanischen Seite wurden wie geplant große Superzyklongebläse errichtet, um jeden kleinsten Samen zurückzublasen. Von großen hydroelektrischen Anlagen im Kolumbianischen Hochland gespeist, übertönte der Lärm ihrer rotierenden Blätter für alle Umstehenden die Geräusche der Explosion. Die Ozeane schalteten sich ein. Ungeheure hohe Flutwellen, möglicherweise durch den Höhenunterschied zwischen Atlantik und Pazifik verursacht, rissen große Stücke Land mit sich. Die große Insel wurde eine kleine Insel, die kleine Insel ein Eiland. Schließlich lag nichts als sich kräuselndes blaues Wasser zwischen dem Gras und Südamerika. Über diesen Meeresabschnitt bliesen die großen Düsen ihren steten Atem und schützten den Kontinent vor dem Schicksal seines nördlichen Zwillings.
Das Gewässer wurde für alle Schiffe gesperrt, denn diese könnten aus Fahrlässigkeit als Samenüberträger wirken. Der verlorene Kontinent wurde nicht nur isoliert, er wurde versiegelt. Von der Spitze des umgedrehten Dreiecks bis zu seiner Grundseite im arktischen Eis gedieh das Gras, der einzige Erbe aller Hoffnungen, Unternehmungen, Heimsuchungen, Träume und Siege der Männer und Frauen, die dort gelebt hatten, seit der erste fremde Fuß auf seinen Boden gesetzt worden war.
Fünf:
Die Südpazifik-Entdeckungsreise
67.
Ich kann nicht behaupten, daß die Welt das Ende Nordamerikas mit Freude oder Bedauern begrüßte. Erleichterung, das ja. Als die Nachricht von der letzten Sprengung durchgegeben wurde und klar war, daß das Gras die Kluft nicht überbrücken konnte, war es dem Phantasievollen beinahe möglich zu hören, wie die Menschheit einen gewaltigen Seufzer ausstieß. Die Welt war gerettet, sie konnte sich jetzt wieder den laufenden Geschäften widmen, nachdem sie ein Sechstel ihrer selbst abgeschrieben hatte.
Mir fiel Miss Francis’ Bemerkung ein, daß man einen Mann, dem man ein Bein abschneidet, mit der Mentalität eines Krüppels ausstattet. Für annähernd zwei Jahrhunderte waren die Vereinigten Staaten ein Bein des Erdballkörpers gewesen, ein Glied, das ständig von so großen Wachstumsschmerzen betroffen war, daß die anderen Teile mitlitten. Jetzt war es abgeschnitten, und jeder glaubte, nach der Entfernung des Ärgers verursachenden Körperteils würde das Leben erfreulicher und einfacher. Verschuldete Nationen warfen sich in die Brust, wenn sie daran dachten, daß Onkel Shylock nicht mehr war. Industriestaaten waren eifrig darauf bedacht, ihre Märkte dort zu erweitern, wo früher die Amerikaner Waren verkauft hatten. Kleine Länder, deren Einwohner sich gelegentlich damit beschäftigten, Touristen zu verschleppen und erst nach Zahlung von Lösegelds wieder freizulassen, spürten nun, daß sie ohne die
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