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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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so versöhnlichen und zutiefst fraulichen Lächeln auf mich herab, daß ich beschloß, es sei idiotisch, beleidigt zu sein. Sie ist natürlich verschroben, dachte ich nachsichtig, sie ist jemand, dessen Leben an Theorien und Reagenzgläsern gekettet ist, eine Frau ohne Vorstellung von der praktischen Wirklichkeit. Statt beleidigt zu sein, wäre es wohl besser, ihr zu zeigen, wie wesentlich meine Hilfe für sie wäre.
    „Von allen Menschen“, fuhr sie fort und musterte mit ih ren Unbehagen erzeugenden Augen mein Gesicht, „von allen Menschen habe ich den geringsten Grund zu moralischer Hochnäsigkeit. Ängstlich darum bemüht, ein paar Dollars für die Fortführung meiner Arbeit zu bekommen – und was ist solch ängstliche Sorge anderes als Zügellosigkeit? – habe ich Metamorpher Ihnen und der ganzen Welt vor die Füße geworfen, bevor mir klargeworden ist, daß er nicht nur unvollkommen, sondern ein Fehler ist. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, und das erste Resultat meines Wunsches, der Menschheit eine Wohltat zu erweisen, war den Dinkmans Schaden zuzufügen. Meditation an Stelle von Verblendung hätte mir sowohl die sofortigen als auch die langfristigen Fehler gezeigt. Es war wohl nicht einmal eine Stunde, nachdem Sie gestern gegangen waren, als ich wußte, daß ich einen Bock geschossen hatte, indem ich Ihnen erlaubt hatte, mit der Gefahr in beiden Händen hinauszugehen.“
    „Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen“, sagte ich steif, denn es klang so, als betrachte sie mich als ein Kind.
    „Nun, ich saß da und dachte darüber nach, wie die Wirksamkeit des Metamorphers über die Graminee hinaus ausgedehnt werden könnte; plötzlich wurde mir klar, daß ich mich im Irrtum befunden hatte, als ich annahm, nicht zu wissen, wie lange die Wirkung der Einspritzung anhält.“
    „Sie meinen, Sie haben es herausgefunden?“ Wenn sie die Geschichte unter Kontrolle brachte und die Wirkung nur eine bestimmte Zeit anhielt, könnte es doch noch zu einem Geschäft werden.
    „Ich habe einiges herausgefunden, indem ich Spekulation und Logik anstelle meiner Hände und meines Gedächtnisses angewandt habe. Ich saß da und dachte nach, obwohl das für einen Wissenschaftler eine unorthodoxe Methode ist, habe ich davon profitiert. Ich habe überlegt: Wenn man die genetische Struktur einer Pflanze verändert, verändert man sie auf Dauer; nicht für einen Tag oder eine Stunde, sondern solange sie lebt. Ich spreche nicht von zufälligen Mutationen, Weener, wohlgemerkt; das sind Mutationen, die im Verlauf von Generationen auftreten, Generationen, in denen Varianten, Degenerationen, Rückentwicklungen und so weiter auftauchen. Nein, ich meine kontrollierte Veränderungen, verursacht durch menschliches Eingreifen. Die Behandlung mit Metamorpher könnte man mit der Amputation eines Beines oder der Transplantation des Gehirns vergleichen. Albert – was geschieht, wenn man einem Menschen ein Bein amputiert?“
    Ich hatte genug davon, wie in einer Volksschulklasse angesprochen zu werden. Trotzdem tat ich ihr den Gefallen. „Nun, dann hat er nur noch ein Bein“, antwortete ich ebenso liebenswürdig wie idiotisch.
    „Stimmt. Darüber hinaus ist er einbeinig disponiert. Sein ganzes Ego, seine ganze Seele sind verändert. Kein zweibeiniges Geschöpf mehr, eingeschränkt, er ist ein anderes – wenn Sie wollen: entstelltes Individuum. Um auf das Gras zurückzukommen: Wenn man eine allesfressende Kapazität erzeugt, pflanzt man einen unstillbaren Appetit ein.“
    „Kapier’ ich nicht.“
    „Wenn man einem Menschen einen dicken Bauch gibt, macht man ihn zum Vielfraß.“
    Ein Chevy-Coupe, aus dessen Kühlerverschluß weißer Dampf leicht zischend strömte, unterbrach uns. Aus der Heckklappe hing eine Sensenschneide, und auf die lose eingehängte Tür hatte jemand hoffnungs- und schwungvoll geschrieben: Arcangelo Barelli, Pflügen und Planieren.
    Während das Coupe noch einige Sekunden lang zitterte, ehe es still wurde, seufzte ich aus doppelter Erleichterung auf: zum einen wegen Miss Francis’ Vergeßlichkeit, was das Geld anging, das ich ihr schuldete, zum anderen, weil sie meine Angst gelindert hatte, der Rasen könnte sich bis nach China oder Indien durchfressen. Die Bemerkung über die verfressenen Bäuche war irritierend.
    „Und natürlich wird der Metamorpher künftig nicht mehr verwendet werden“, schloß sie; ihre Augen konzentrierten sich jetzt völlig auf den Bauern, der die Heckklappe mit der

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