Es grünt so grün
Haltung eines Mannes öffnete, der eine unangenehme Überraschung erwartete.
Mr. Barelli kam wie an ein Totenbett, ein mitfühlendes, aber hoffnungsloses Lächeln ließ sein schmales Gesicht nur unwesentlich breiter werden. Als die Sense in seinem Arm lag, schrie jemand: „Da kommt Gevatter Hein persönlich!“ Mr. Barelli war nicht amüsiert. Während er sich nachdenklich mit schlanken Fingern über die Stirn wischte, beobachtete er mit traurigen Augen die drei Abstufungen des Grases. Die letzte Stufe, von seinen Vorgängern noch nicht in Angriff genommen, stand über einen Meter hoch und war von der Vorstellung von einem Rasen so weit entfernt wie ein Weizenfeld.
„Glauben Sie, Sie können es mähen?“ fragte einer aus dem Publikum.
Mr. Barelli lächelte freudlos und antwortete nicht. Statt dessen zog er einen dünnen Stein aus seiner Hüfttasche und begann, die Schneide der Sense phlegmatisch mit ihm zu liebkosen.
„Hee, das Zeug hört nicht zu wachsen auf, wenn du nur so rumhängst!“
„Man muß so etwas richtig angehen“, erklärte Mr. Barelli sanft.
Das rhythmische Schaben von Stein gegen Stahl verlängerte die Spannung unerträglich. Alle möglichen Spekulationen gingen mir durch den Kopf, während die müde Vorstellung weiterging. Das Gras wuchs sehr schnell; schneller, als Pflanzen jemals gewachsen waren. Konnte es so schnell wachsen, daß die Sense des Bauern nicht mithalten konnte? Angenommen, es wäre Weizen oder Mais gewesen? Heute gesät, wäre es nächste Woche in voller Reife und könnte geerntet werden. Verglichen mit der Realität wäre Miss Francis’ ursprünglicher Traum nur ein schwacher Abglanz. In dem Metamorpher steckte immer noch – irgendwo, irgendwie – ein Vermögen …
Als er endlich fertig war, schritt Mr. Barelli behutsam über die Stoppeln, als wären sie ein kostbarer Stoff, auf dem man nicht einfach brutal herumtrampeln konnte. Erneut schätzte er die sich kräuselnde, aufragende Masse mit den Augen ab. Es war der Blick eines Bräutigams.
„Worauf warten Sie?“
Lässig kratzte er mit dem Stiefelabsatz einen Halbkreis in den Rasenstreifen, als wolle er eine Markierung einstanzen. Erneut taxierte er das Gras, beugte die Knie, legte die Hand sanft auf die beiden kurzen, nachgewachsenen Streifen. Mit seinen Vorbereitungen zufrieden, zog er schließlich die Sense mit einer ausgreifenden Bewegung beider Arme zurück und ließ sie kurz über dem Boden nach vorn kreisen. Liebevoll umarmte sie eine plötzlich entstehende Insel, und eine Garbe Gras ging dahin. Ich wurde an alte Holzschnitte in einer Geschichte der Französischen Revolution erinnert.
Die Umherstehenden seufzten harmonisch. „Da gibt’s nichts Besseres … hätten ihn sofort holen sollen … geht nix über die alte Gelenkschmiere. Nein, mein Herr, Muskelkraft macht’s allemal … schätze, jetzt ist die Sache sauber …“ Mr. Barelli wiederholte seinen Armschwung, und eine weitere Garbe fiel. Noch eine. Und noch eine …
„Eines der ältesten menschlichen Rituale“, bemerkte Miss Francis, deren Körper mit dem des Bauern schwankte. „Ein Akt der Hingabe an Ceres. Aber alles, was dieser Landmann erntet, ist Cynodon dactylon. Das nur als Anmerkung.“
„Fortschritte“, betonte ich. „Jetzt haben sie Maschinen, um das Korn abzuernten. Alle modernen Landwirte benutzen sie; nur die Rückständigen bleiben an den alten Werkzeugen hängen und müssen für ihren Lebensunterhalt sorgen, indem sie sonderbare Aufträge annehmen.“
„Fortschritt“, wiederholte sie und ließ ihren Blick von dem Sensenschwinger zu mir und wieder zurück schweifen. „Fortschritt, Weener. Eine bemerkenswerte Vorstellung des neunzehnten Jahrhunderts …“
Die weniger gespannten Zuschauer begannen abzuwandern; nicht, ohne sich noch ein paar Mal umzublicken, aber die metronomische Bewegung von Mr. Barellis Sense deutete an, daß es jetzt mit dem wuchernden Gras vorbei war. Ich hätte mich auch auf den Weg machen, den Metamorpher als totalen Verlust abschreiben und neue Methoden überdenken sollen, eine gewinnträchtigere Verbindung zu knüpfen. Nicht daß ich jemand war, der ein sinkendes Schiff verließ, und ich hatte auch nicht den Glauben an Miss Francis’ Fähigkeiten verloren; aber entweder war sie nicht schlau genug, ihre Formel zu ändern, oder … aber es gab wirklich kein „oder“. Sie war einfach nicht schlau genug, den Metamorpher vermarktbar zu machen, und sie betrog mich um den ansehnlichen Ertrag, der mir
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