Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
Vom Netzwerk:
als ein Brontosaurus der harmlosen Eidechse, die sich über den sonnenbeschienenen Boden einer Terrasse schlängelt. Zwischen dem schmutzig-zuckrigen Sand der Wüste und dem ölfarbenen Himmel bildete es einen dritten, leuchtenden Farbstreifen, der dort auf monströse Weise unpassend erschien. Eine Flutwelle wäre weniger fremd und grauenhaft gewesen.
    Die Entfernung war so groß, daß kein einzelner Teil deutlich umrissen hervorstand. Statt dessen erschien das Gras als flacher Gürtel, grün, drohend und unerbittlich. Als mein Flugzeug höher aufstieg, blickte ich zurück und sah es sich im Norden, Süden und Osten erstrecken; eine neue Invasion in einem Land, das der vielen Invasionen müde war. Und ich dachte an die toten Kulturen, die es bedeckte: Baktria, Parthia, Babylon, das Imperium von Lame Timur, Cathay, Kambodscha und die Reiche des Großmoguln.
    Die Zufluchtsorte der Menschheit wurden ständig verringert, jeden Tag ging eine Insel in der brandenden Gischt verloren. Afrika war dreifach belagert; im Süden vom Gras auf Madagaskar, in der Mitte von den Inseln des Indischen Ozeans und über das Rote Meer, wo das Gras frisches Leben aus den feuchten Dschungeln saugte und mit unglaublichem Tempo wuchs, und im Hochland von Rhodesien und Abessinien kroch es langsam über die Bergebenen auf die Hänge des Kilimandscharo und des Drakensberg zu. Wenn nicht schnell etwas geschah, würden unsere afrikanischen Depots den arabischen folgen, und wir wären nur noch auf unsere begrenzten britischen Besitztümer angewiesen bis zu dem Tag, wenn Afrika und Asien wiedererobert würden.
    Die Grausamkeiten und Bluttaten, die bis dahin stattgefunden hatten, waren milde, verglichen mit dem neu entfesselten Sturm, der die angstgepeinigten Völker Europas schüttelte, die hilflos durch alptraumgleiche Tage wankten und in zerrüttenden Nächten von einer Fluchtmöglichkeit träumten, die geographisch nicht existierte. Verstümmelte Leichen in den Straßen, Arenen, mit toten Körpern vollgestopft, brachliegende Felder, mit menschlichem Blut neu befruchtet, verschlimmerten den Gestank eines dreckigen, seuchenbefallenen Kontinents. Ein Gerücht machte die Runde, daß nämlich immer noch Juden am Leben seien, und diejenigen, die gestern in tödlichem Kampf aufeinander losgegangen waren, taten sich nun zusammen, um ein gemeinsames menschliches Opfer zu erlegen. Und tatsächlich wurden in elenden Höhlen und Kellern einige Männer mit Käppchen und Gebetbuch gefunden, die bisher das Tageslicht gescheut hatten und übersehen worden waren; sie wurden zusammen mit ihren Familien an das gleichgültige Tageslicht gezerrt und ausgelöscht. Zu dieser Zeit überquerte das Gras den Ural und sprang über den Atlantik nach Island.
    In England erhob sich George Bernard Shaw, dessen angeblicher Tod vor Jahren von denen beklagt worden war, die nie eine Zeile von ihm gelesen hatten, offenbar aus dem Grabe, um eine letzte Botschaft zu verkünden:
    „Wenn einer von denen, die meinen greisenhaften, nutzlosen Leichnam beweinten, sich die Mühe gemacht hätte, Back to Methuselah zu lesen, hätten diese sich angesichts meines vorschnellen Todes beruhigen können. Wenn es je einen Langlebigen hätte geben sollen, dann hätte ich dieser Langlebige sein müssen. Das wurde von der Lebenskraft in der Mitte des 19. Jahrhunderts so bestimmt. Jene Lebenskraft konnte es sich nicht leisten, eine schwache Welt eines Mannes von vollkommener visionärer Kraft zu berauben.
    Wie Haslam (ich vergaß seinen Vornamen – sehen Sie in meinen gesammelten Werken nach, wenn es Sie interessiert) habe ich mich selbst als tot ausgegeben, um dem Gaffen einer neugierigen, trägen Masse zu entgehen. Ich habe mich von den Mühen meines ersten Jahrhunderts erholt, um mich in die noch anstrengenderen des zweiten zu stürzen.
    Als wie ich so viele Male betont habe, befand sich die Rasse zwischen Reife und der selbstzerstörerischen Ungeduld einer langen Jugendzeit. Die Menschheit muß entweder zur Vernunft kommen oder untergehen, und sie hat sich dazu entschieden (vielleicht sogar doch voll Vernunft) unterzugehen. Ich bin nun zu alt, um gegen Zügellosigkeit zu protestieren.
    Ist es zu spät? Ist zu überleben noch möglich? Das Schiff liegt nun in der Tat auf den Klippen, und der Kapitän trinkt unten in seiner Koje Brackwasser aus der Flasche. Aber vielleicht wird ein Kapitän Shotover trunken von der Milch menschlicher Wärme statt von Rum, auf dem Achterdeck auftauchen und die ganze

Weitere Kostenlose Bücher