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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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auf wunderbare Weise befreit worden. Der Kult der Grasverehrer blühte trotz strengster Verbote auf, und häufig wurden Massentreffen veranstaltet, bei denen die Anhänger ihre Gesichter nach Südosten wandten und flehend um schnelle Opferung beteten. Für die Weltregierung war der Versuch, die Tatsachen bekanntzumachen, ziemlich zwecklos. Die vorher geübte Zensur und die Neigung der Allgemeinheit, eher Extreme zum Guten oder Schlechten hin als die Wahrheit des allmählichen, aber unaufhaltsamen Vordringens zu glauben, führten dazu, daß die Menschen den Rundfunknachrichten oder den Handzetteln wenig Beachtung schenkten; die Sendungen wurden selbst in staatlich betriebenen Stationen selten empfangen, und um die Entzifferung der Flugzettel bemühten sich auch die nicht, die noch lesen konnten.
    Die Idealisierung der Sozialistischen Union – einstmals Sowjetunion –, die über die Jahre gestiegen und gesunken war, wurde von den Menschen, die nicht auf das Gras versessen waren, gefördert. In diesem Land mußte es eine innere Kraft geben, denn es hatte sich nicht nur als immun gegen die Behandlung mit dem Melamorpher erwiesen, sondern auch trotz enger Nachbarschaft das Gras davon abgehalten, über die Beringstraße oder die Aleuten seine Grenzen zu überschreiten. Das Gras hatte Tausende von Ozeanquellen übersprungen, aber diesen schmalen Wasserstreifen nicht überbrückt. Für jene Menschen wäre es ein Schock gewesen, hätten sie gewußt, was ich wußte und was die Weltregierung ihnen vergeblich hatte mitteilen wollen: daß Moskau kürzlich widerwillig zugegeben hatte, daß das Gras schon längst in Sibirien eingedrungen war und sich nun von Kamtschatka zur Lena vorarbeitete.
    Die Bewohner Japans, zwischen den Greifarmen einer sich schließenden Zange gefangen, reagierten auf charakteristische Weise. Die Christen, die jetzt eine Mehrheit bildeten, erklärten das Gras als eine Strafe für die Sünden der Welt und hofften, aufgrund ihrer Standhaftigkeit im Angesicht des Todes die Krone eines nationalen Märtyrers zu erringen und dadurch jene zu erlösen, die noch in Finsternis lebten. Die Schintoisten stimmten zu, daß es sich bei dem Gras um eine Strafe handelte – aber für ein anderes Verbrechen. Wäre die Lehre von den Acht Ecken der Welt niemals aufgegeben worden, hätten die Japaner nie zugelassen, daß das Gras die Yamato-Rasse überwältigte. Der Name des neuen Kaisers, Saiji, bedeutete ihrer Meinung nach nicht „Herrschaft durch das Volk“, wie er gewöhnlich übersetzt wurde, sondern „Herrschaft über das Volk“, und sie verlangten nach sofortiger Saiji-Restauration, unter der die Untertanen des Mikado den Tod auf dem Schlachtfeld in einer Weise begrüßen würden, die dem Buschido entsprach; dadurch würden sie für die vergangenen Irrwege sühnen, für die sie jetzt gezüchtigt wurden. Beide Seiten stimmten darin überein, daß sich kein Japaner, unter welchen Umständen auch immer, dadurch entehren würde, daß er Nippon verließ, und der Welt wurde folglich ein zusätzlicher Zustrom von diesen Inseln erspart.
    Aber die Japaner waren nicht die einzigen, die es ablehnten, sich an dem Treck nach Westen zu beteiligen, der die Welt jeden Tag tiefer in die Barbarei stürzte. Wir in England hatten allen Grund, uns unserer einzigartigen Position wegen selbst zu beglückwünschen. Der Kanal schien tausend statt zwanzig Meilen breit zu sein. Der Aufruhr, der auf dem Kontinent und in Afrika herrschte, wurde nur undeutlich reflektiert. Es gab immer noch Überreste einer Handelsstruktur, die Fürsorge bewahrte die Faulen vor dem Verhungern, Eisenbahnen fuhren noch nach drastisch verkürzten Fahrplänen, und der Rundfunk strahlte sein Programm vom „Guten Morgen, hier ist London“ bis zu den letzten Takten von God Save the Queen aus. Obwohl mich die Untätigkeit und Trägheit der Forscher bei ihrer Suche nach einer Waffe gegen das Gras ständig reizten, war ich doch glücklich, diese schreckliche Periode an einem vergleichsweise angenehmen Ort verbringen zu können.
    Gewiß, unsere Depots in den Wüsten Arabiens und in der Sahara waren weder vom Gras noch von den Flüchtlingsmassen bedroht, aber ich hätte es in der Tat als unbequem empfunden, dort leben zu müssen. In Hampshire oder London fühlte ich mich im Zentrum des Rests der Welt, ständig bereit loszuschlagen, sobald die große Entdeckung endlich gemacht war und das Gras sich zurückzuziehen begann.
    Preblesham, meine rechte Hand, flog wöchentlich

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