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Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman

Titel: Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Spilker
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schaffst, deine Dinge zu regeln, musst du dich eben wieder in Behandlung begeben«, setzt er noch eines drauf.
    »Ja, genau – wir sind früher doch auch selbst zur Kur«, versucht Mutti den Konflikt zu entschärfen. Sie meint damit die der Spediteursinnung abgerungenen Sonderurlaube, die sie sich alle paar Jahre gegönnt haben, um sich kostengünstig von der chronischen Überarbeitung zu erholen. »Ist doch keine Schande. Gibt es nicht irgendeine Künstlerversicherung, die so was bezahlt?«
    Klick.
    Ehe ich ausfällig werde, greife ich nach dem Kuli und verabschiede mich zu einer kleinen Mentalkur.

    Als ich in mein altes Zimmer gehe, das inzwischen als Gästezimmer fungiert, werfe ich noch einen Blick auf meinen Vater, der auf dem Fernsehsessel eingeschlafen ist. Die Jobs, denen er noch immer glaubt, nachgehen zu müssen, werden ihm langsam zu viel. Gleichzeitig ist es ihm unmöglich, damit aufzuhören. Er ist ein Chef außer Dienst, dem die Lastwagen fehlen, die ihm zuvor immer einen Halt in der Welt gegeben haben. Seit sie nicht mehr fahren, wirkt er hilflos, beinahe zerbrechlich. Von seinem eigenen Vater ist er verprügelt worden, bis er am Ende alles, was er anfing, aus Angst begann. Er ist zu einem von denen geworden, die ihr ganzes Leben lang stark und aktiv sein müssen, um zu vergessen, dass sie eigentlich schwach und verletzlich sind. Es ist und bleibt eine Horrorvorstellung für mich, so zu werden wie er. Gleichzeitig empfinde ich heute zum ersten Mal so etwas wie Mitleid mit ihm.
    Sein Mund steht offen, und er schnarcht leise. Im Fernseher läuft eine Sendung über Lachse, denen ein inneres Programm befiehlt, zum Ort ihrer Geburt zurückzukehren, um dort zu sterben.

15
    Mein Lieblingsplatz ist auf dem Klettergerüst neben der Schaukel. Ich versuche immer so zwischen den Metallstangen zu hängen, dass ich es möglichst lange aushalte. Nach einiger Zeit schläft irgendein Körperteil ein oder fängt an, weh zu tun. Dann rutsche ich so wenig wie möglich nach links oder rechts, bis es wieder geht. Auf dem Klettergerüst wird man in Ruhe gelassen.
    Ein langsamer, dünner Regen beginnt sich über die Landschaft zu legen, wie eine hässliche Decke aus Frost. Ich kann ihn durch die Fensterscheiben des Zugs nicht spüren, aber um diese Jahreszeit kann er nicht anders als von eisiger Kälte sein. Ich starre hinaus, ohne etwas zu sehen. Orte. Kennst du einen, kennst du alle. Vermutlich sind das Wälder oder Felder, die da draußen vorbeiziehen, schlimmstenfalls Ortschaften. Interpretationen von Orten. Gegenwärtiges, Vergangenes.
    Ich stelle mir ein Spiel vor, für das man ein Brett mit Schauplätzen der eigenen Vergangenheit bestückt und dann mit einem Würfel sein Ziel bestimmt. Allerdings habe ich gerade ein praktisches Problem: Ich habe vergessen, wie der kleine Kurort im Schwarzwald heißt, der auf der Postkarte als Absender angegeben war und den ich mir als Reiseziel ausgesucht habe.
    Auch mein Telefon kann mir nicht weiterhelfen. Es begnügt sich damit, mir haufenweise Textnachrichten anzuzeigen. Aufs Geratewohl öffne ich eine SMS von Matthias, der wissen will, wie es meiner Meinung nach denn nun weitergehen solle. Ein Scanner und diverse andere Sachen seien jetzt auch schon aus dem Büro verschwunden. Ich solle langsam zurückkommen, er könne nicht den ganzen Tag dort rumhängen, und am Wochenende sowieso nicht. Und ob ich überhaupt wisse, wer aktuell alles einen Schlüssel habe?
    Woher soll ich das wissen? Ich hole den Kuli aus der Tasche, den Mutti jetzt wahrscheinlich überall sucht. Weitere Botschaften von Leuten, die irgendetwas von mir wollen, das ich zur Zeit nicht leisten kann. »Überprüfen Sie Ihr Passwort.« »Wechseln Sie den Anbieter.« »Buchen Sie heute noch.« SMS -Benachrichtigungen über verpasste Anrufe: Matthias (Office), Matthias (Office), Jimi (mobil), Matthias (mobil), Andrea (mobil), Jimi (mobil).

    Andrea?
    Andrea.

    Klick.
    Klick.
    Klick.

    »Ja, hallo?«
    »Hallo, Andrea.«
    »Thomas!?«
    Meine Finger haben den Rückruf aktiviert, ohne dass ich mich erinnern kann, ihnen eine entsprechende Anweisung gegeben zu haben. »Du hast angerufen?«
    »Ja, ach ja – ich wollte nur mal hören, wie’s dir so geht.«
    »Äh, ja – es geht.« Kann es auch nicht gehen? War das die richtige Antwort? Ich bin unsicher. »Oder besser: Es fährt. Ich sitze im Zug.«
    »Wovor flüchtest du denn dieses Mal? Du bist doch immer vor irgendetwas auf der Flucht.«
    »Hm, weiß nicht. Ich habe es

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