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Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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hinausgedrängt
werden, damit jemand den ganzen Block in Bausch und Bogen kaufen kann. Und
genau so ist es dann geschehen: die Stadt gab sämtliche Häuser in diesem und im
nächsten Block zum Abbruch frei. Und zwar nicht mal zwei Wochen nachdem ich
meine Arbeit aufgenommen hatte.«
    »Und wieso gerade Sie?«
    »Hank Zahn ist - war Joan Albrittons
Anwalt. Als die Händler bei der Polizei auf mehr oder weniger taube Ohren
stießen, riefen sie Hank an, um ihn um Rat zu fragen. Er schickte mich zu einem
Gespräch hierher. Ich erledige häufig Aufträge dieser Art für die Mandanten der
Kooperative.«
    Als ich das von den tauben Ohren der
Polizei gesagt hatte, war Marcus’ Gesicht ein bißchen verschlossen geworden,
aber jetzt sagte er nur: »Interessant. Bitte vergessen Sie nicht, morgen bei
uns vorbeizukommen.«
    Der Notarztwagen war abgefahren, ein
Teil der Menge hatte sich zerstreut, als wir aus dem Laden auf die Straße
traten. Im Schaufenster des Trödelladens auf der anderen Straßenseite brannte
Licht. Hank wartete dort vermutlich auf mich, während er mit Charlie Cornish
Kaffee trank. Ich verabschiedete mich von Marcus und lief hinüber. Ich wollte mit
Charlie reden, hoffte, er würde sich trotz seines Kummers an etwas Nützliches
erinnern, was ich meiner Aussage vor der Polizei hinzufügen konnte.
     
     
     

2
     
    Ich klopfte an die Ladentür des
Trödelladens. Charlie Cornish, ungefähr fünfundfünfzig, grauhaarig, in einem
alten Arbeitsanzug aus Armeebeständen, machte mir auf. Seine Augen waren rot
und verschwollen, sein langes Haar war wirr, als hätte er es sich vor Kummer
gerauft.
    »Es tut mir sehr leid, Charlie. Sie hat
Ihnen viel bedeutet, nicht wahr?«
    »Ja. Ja. Kommen Sie rein. Ich hab
heißen Kaffee da. Ich wollte Joanie fragen, ob sie auf eine Tasse rüberkommen
wollte, als —« Die rauhe Stimme brach.
    Ich trat in den Laden. Eine schwache
Birne unter einem grünen Glasschirm erleuchtete die Ecke, die Charlie als Büro
diente. Auf dem narbigen alten Schreibtisch aus Eiche stand ein elektrischer
Zwei-Platten-Kocher. Hank saß auf einem steiflehnigen Stuhl neben dem
Schreibtisch. Als er mich sah, stand er auf und goß mir Kaffee in eine
Porzellantasse mit Sprung. Er gab sie mir und warf dann einen sorgenvollen
Blick auf Charlie, der in seinem alten Drehsessel zusammengesunken saß.
    Am liebsten mochte ich an Hank, der
nicht nur mein Arbeitgeber, sondern auch ein guter Freund war, seine Teilnahme
am Schicksal anderer. Aus dieser menschlichen Anteilnahme heraus war die
Kooperative entstanden, die er mit drei anderen Anwälten zusammen gegründet
hatte, um den Mitgliedern Rechtsschutz zu vertretbaren Preisen bieten zu
können. Hank war fünfunddreißig, seit neun Jahren im Familienrecht tätig, aber
er war darüber nicht zum Zyniker geworden.
    Jetzt sah er mit besorgtem Blick von
Charlie zu mir und dann wieder zurück zu Charlie.
    Ich setzte mich neben ihn auf einen
ebenso unbequemen Stuhl. Mir war kalt. Der alte Kram, den Charlie hier
verhökerte — alte Öfen, Matratzen, primitive Holzmöbel — war in Dunkelheit
gehüllt.
    So behutsam wie möglich fragte ich
Charlie: »Warm haben Sie sie gefunden?«
    »Ungefähr halb zwei.« Charlie rieb sich
die Augen. »Ich hatte irgendwie keine Ruhe, weil sie da drüben mitten in der
Nacht ganz allein war. Außerdem wußte ich, daß sie nicht zu Abend gegessen
hatte, und ich dachte, eine Pause würde ihr guttun. Die Tür war offen, als ich
rüberkam, und Joanie — « Wieder brach er ab, stützte den Kopf in die Hände.
    Ich sah Hank an, dann trank ich einen
Schluck Kaffee.
    »Sie müssen rauskriegen, wer das getan
hat«, sagte Charlie beinahe im Befehlston.
    »Ich glaube, das ist Sache der
Polizei«, erwiderte ich. »Die sind da besser gerüstet als ich.«
    »Die Polizei?« sagte Charlie
verächtlich. »Was haben die denn im Herbst für uns getan, als unsere Fenster
eingeschlagen und unsere Häuser in Brand gesteckt wurden? Keinen Finger haben
die gerührt; für die sind wir doch nichts weiter als eine Bande mickriger
kleiner Händler. Die Polizei kann mir echt gestohlen bleiben.«
    »Aber ein Mord, Charlie...«
    Ich war schon bei den Ermittlungen in
Mordfällen beteiligt gewesen, aber im allgemeinen beschränkte sich meine
Tätigkeit auf harmlosere Fälle. Die Mandanten der Kooperative waren nicht von
der gewalttätigen Sorte; größtenteils rechtschaffene Bürger, häufig Angehörige
von Minderheitsgruppen, in der unteren bis mittleren Einkommensklasse.

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