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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Aussage machte, erklärte: Als er mit seinen Freunden endlich abzog, horte ich ihn sagen: »Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, wird’s ihm ordentlich an den Kragen gehen!«

6
     
    »Bitte, ich muss noch einmal mit meiner Mutter reden«, sagte Steve Dubay zum dritten Mal. »Ich muss sie dazu bringen, dass sie meinen Stiefvater beruhigt, sonst ist die Hölle los, wenn ich heimkomme.«
    »Bald kannst du anrufen«, erklärte Officer Charles Avarino. Er wusste genauso gut wie sein Kollege Barney Morrison, dass Steve Dubay zumindest in dieser Nacht – vermutlich auch in vielen folgenden Nächten – nicht nach Hause gehen konnte. Dem Jungen schien noch immer nicht klar zu sein, in welchen Schwierigkeiten er steckte, und Avarino war keineswegs überrascht, als er später erfuhr, dass Dubay mit sechzehn Jahren die Schule verlassen hatte. Zu dieser Zeit war er immer noch auf der Water Street Junior Highschool gewesen. Er hatte einen IQ von 68, wie bei einem Test festgestellt worden war, als er zum dritten Mal die siebte Klasse besuchte.
    »Erzähl uns vorher, was passiert ist, als ihr gesehen habt, wie Mellon aus dem Falcon kam«, forderte Morrison ihn auf.
    »Nein, lieber nicht.«
    »Und warum nicht?«, fragte Avarino.
    »Ich hab vermutlich ohnehin schon zu viel gequatscht.«
    »Dazu bist du doch hergekommen«, sagte Avarino. »Oder etwa nicht?«
    »Na ja … doch … aber …«
    »Hör zu«, erklärte Morrison freundlich, setzte sich neben Dubay und gab ihm eine Zigarette. »Glaubst du, dass ich und Chick Schwule mögen?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Sehen wir etwa so aus, als würden wir Schwule mögen?«
    »Nein, aber …«
    »Wir sind deine Freunde, Steve«, sagte Morrison feierlich. »Glaub mir, du und Chris und Webby, ihr braucht jetzt dringend alle Freunde, die ihr nur kriegen könnt. Morgen wird nämlich jeder in der Stadt eure Köpfe fordern.«
    Steve Dubays Gesicht nahm einen leicht beunruhigten Ausdruck an. Avarino, der die Gedanken dieses feigen Schwachkopfs fast lesen konnte, ahnte, dass er wieder an seinen Stiefvater dachte. Und obwohl Avarino alles andere als ein Freund von Derrys kleiner Homo-Gemeinde war – wie jedem anderen Polizeibeamten dieser Stadt, so wäre es auch ihm am liebsten gewesen, wenn das Falcon für immer geschlossen worden wäre -, hätte er doch liebend gern Dubay heimgefahren und ihm höchstpersönlich die Arme festgehalten, während Dubays Stiefvater ihn grün und blau schlug. Avarino mochte Schwule nicht, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er der Meinung war, man sollte sie quälen und umbringen. Mellon war einem brutalen Mord zum Opfer gefallen. Als man ihn unter der Kanalbrücke hervorgeholt hatte, stand in seinen glasigen Augen ein Ausdruck grenzenlosen Entsetzens. Und dieser Bursche hier hatte absolut keine Ahnung, wozu er Beihilfe geleistet hatte.
    »Wir wollten ihm nichts tun«, wiederholte Steve. Dieser Floskel bediente er sich jedes Mal, sobald er etwas verwirrt oder beunruhigt war.
    »Genau deshalb solltest du uns reinen Wein einschenken«, sagte Avarino eifrig. »Erzähl uns die ganze Wahrheit, dann wird die Sache vielleicht nur halb so schlimm ausgehen. Hab ich recht, Barney?«
    »Na klar doch«, stimmte Morrison mit Nachdruck zu.
    »Also noch einmal, wie war das?«, redete Avarino freundschaftlich auf Steve ein.
    »Na ja …«, murmelte Steve und begann langsam zu erzählen.

7
     
    Als das Falcon im Jahre 1973 eröffnet wurde, dachte Elmer Curtie, dass seine Kundschaft hauptsächlich aus Leuten bestehen würde, die mit dem Bus unterwegs waren – der Busbahnhof war gleich nebenan und wurde von drei Linien angesteuert: Trailways, Greyhound und Aroostook County. Er hatte allerdings nicht bedacht, dass ein hoher Prozentsatz der Busreisenden aus Frauen oder Familien mit kleinen Kindern bestand. Von den anderen führten viele ihre Flaschen in braunen Tüten mit sich und stiegen überhaupt nie aus dem Bus aus. Und jene, die ausstiegen – meistens Soldaten oder Seeleute -, wollten auch nur auf die Schnelle ein oder zwei Bier trinken – zu mehr war bei einem Zwischenaufenthalt von zehn Minuten auch gar keine Zeit.
    Als Curtie dies Anfang 1977 endlich erkannte, war es schon zu spät: Er steckte bis zum Hals in Schulden, und er sah auch keine Möglichkeit, aus den roten Zahlen wieder herauszukommen. In seiner Verzweiflung dachte er sogar daran, das Falcon niederzubrennen, um die Versicherungssumme zu kassieren, aber er befürchtete, geschnappt zu werden, wenn er nicht

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