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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hierzubleiben, bis er etwas Lohnendes finden würde, das er mit nach Hause nehmen und seinem Vater zeigen konnte.
    Langsam und vorsichtig ging er auf das Kellerloch zu, bis eine innere Stimme ihn warnte, dass er allmählich zu nahe herankam, dass eine von den heftigen Frühlingsregen aufgeweichte Seitenfläche nachgeben und er in dieser Grube landen konnte, wo er dann vielleicht – wie ein Schmetterling von irgendeinem scharfen, rostigen Eisenstück aufgespießt – langsam und qualvoll sterben würde.
    Er hob einen Fensterrahmen auf und warf ihn beiseite. Er entdeckte einen Schöpflöffel, der die richtige Größe für den Tisch eines Riesen gehabt hätte und dessen Griff von einer unvorstellbaren Hitzewelle verbogen worden war. Da lagen auch Kolbenteile herum, die so schwer waren, dass er sie nicht einmal von der Stelle bewegen, geschweige denn hochheben konnte. Er machte einen großen Schritt darüber hinweg, und dann …
    Was ist, wenn ich einen Schädel finde?, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Den Schädel von einem der Kinder, die hier ums Leben kamen, während sie nach Schokoladeneiern suchten – Ostern 19… irgendwas.
    Er blickte ängstlich über das sonnenüberflutete, einsame Gelände. Der Wind sauste in seinen Ohrmuscheln, und für kurze Zeit verhüllte eine Wolke die Sonne und warf einen Schatten auf das Feld, wie den einer riesigen Fledermaus … oder eines riesigen Vogels. Mike kam jetzt wieder voll zu Bewusstsein, wie still es hier war, wie unheimlich das Gelände mit seinen Mauerruinen und den überall herumliegenden Metallteilen war – so als hätte hier vor langer Zeit einmal eine furchtbare Schlacht stattgefunden.
    Nun sei mal kein solcher Hasenfuß, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Alles, was hier zu finden war, ist schon vor fünfzig Jahren gefunden worden. Gleich nach der Katastrophe. Und selbst wenn damals etwas übersehen wurde, so hat es bestimmt irgendein Kind – oder auch ein Erwachsener – in der Zwischenzeit gefunden. Oder glaubst du etwa, dass du der Erste und Einzige bist, der hier nach Souvenirs sucht?
    Nein … nein, das glaube ich nicht … aber …
    Was – aber?, fragte der rationale Teil seines Gehirns, und Mike fand, dass sich diese Stimme etwas zu laut, zu hektisch anhörte. Selbst wenn es hier wirklich noch etwas zu finden gibt, so ist es schon längst verwest. Also, was soll dieses blöde Aber?
    Mike entdeckte eine alte, zerstörte Schreibtischschublade im Unkraut. Er schob sie mit dem Fuß beiseite und ging etwas näher an den Keller heran. Dort lag am meisten Zeug herum. Bestimmt würde er da ein lohnendes Andenken finden.
    Aber – was, wenn es dort Gespenster gibt? Das ist das große Aber. Was ist, wenn plötzlich Hände am Rand der Kellermauer auftauchen, wenn Kinder sich plötzlich hochstemmen, Kinder in den Fetzen ihrer Sonntagskleider, die ganz vermodert und zerrissen sind von fünfzig Jahren Frühlingsmorast und Herbstregen und verharschtem Schnee? Kinder ohne Köpfe (er hatte in der Schule gehört, dass eine Frau nach der Explosion den Kopf eines Opfers in einem Baum auf ihrem Hinterhof gefunden hatte), Kinder ohne Beine, Kinder mit zerfetzten Bäuchen, Kinder, die vielleicht möchten, dass ich zu ihnen herunterkomme und mit ihnen spiele … dort unten, wo es dunkel ist … unter den eingestürzten Eisenträgern und den riesigen Rädern …
    Oh, hör auf damit, um Gottes willen, hör auf damit!
    Aber wieder lief ihm ein Schauder über den Rücken, und er beschloss, dass es Zeit war, etwas aufzuheben – irgendetwas – und dann schleunigst von hier zu verschwinden. Er bückte sich und griff aufs Geratewohl nach etwas – es erwies sich als Zahnrad von etwa fünfzehn Zentimetern Durchmesser. Er hatte einen Bleistift in der Tasche, und damit entfernte er rasch den Dreck aus den Zahnzwischenräumen. Dann steckte er sein Souvenir ein. Jetzt würde er gehen. O ja, jetzt würde er gehen …
    Aber seine Füße bewegten sich langsam in die falsche Richtung, auf den Keller zu, und er begriff erschrocken, dass er einfach einen Blick hinunterwerfen musste, dass er sehen musste, wie es dort unten aussah.
    Er hielt sich an einem aus dem Boden ragenden hölzernen Stützbalken fest, beugte sich weit vor und versuchte, einen Blick nach unten zu werfen. Aber es gelang ihm nicht. Er war nur noch etwa fünf Meter vom Rand entfernt, doch das war immer noch etwas zu weit, um auf den Boden des Kellers sehen zu können.
    Das ist mir egal. Ich gehe jetzt. Mein Souvenir

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