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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wasser und die schmutzige Luft, Gott weiß, was für Krankheiten man sich in der Großstadt holen konnte, und sie dankte Gott, dass Patty und Stan auf dem Land lebten (für Ruth Blum war der gesamte Süden, einschließlich Atlanta und Birmingham, ländliches Gebiet), wo die Luft und das Wasser – ganz besonders das Wasser – gesünder waren. Ihre Tante Margaret hatte wieder Ärger mit dem Elektrizitätswerk, Stella Flanagan hatte wieder geheiratet – manche lernten es nie -, Richie Huber war wieder einmal entlassen worden …
    Und inmitten dieses ganzen Geschwafels – das nicht selten auch sehr boshaft war -, mitten in einem Absatz, völlig zusammenhanglos, hatte Ruth Blum die gefürchtete Frage gestellt: »Wann werdet Stan und du uns denn nun zu Großeltern machen? Wir stehen alle in den Startlöchern, ihn (oder sie) nach Strich und Faden zu verwöhnen. Und falls du es noch nicht bemerkt hast, wir werden auch nicht jünger.« Und dann gleich weiter mit der Tochter der Bruckners von nebenan, die von der Schule heimgeschickt worden war, weil sie keinen BH und eine Bluse anhatte, die regelrecht durchsichtig war.
    Patty war an jenem Tag ohnehin niedergeschlagen. In ihrer neuen Umgebung noch nicht heimisch und unsicher, was die Zukunft bringen würde, hatte sie Heimweh nach Traynor. Nachdem sie den Brief ihrer Mutter gelesen hatte, ging sie in ihr Schlafzimmer, legte sich auf die Matratze – das Bettgestell war noch in der Garage, die Matratze lag auf dem großen Holzboden wie seltsames Treibgut an einem gelben Strand -, vergrub den Kopf in den Armen und weinte fast zwanzig Minuten lang. Sie vermutete, dass dieses Weinen früher oder später unvermeidlich gewesen wäre; der Brief ihrer Mutter hatte den Zeitpunkt nur vorverlegt, das war alles.
    Stanley wollte Kinder. Sie wollte Kinder. Sie stimmten in dieser Hinsicht ebenso überein wie in Bezug auf ihren Lebensstil, ihre Vorliebe für Filme mit Woody Allen und ihren unregelmäßigen Besuch in der Synagoge, ihre politischen Ansichten, ihre Abneigung gegen Marihuana und vieles andere. Das zusätzliche Zimmer in dem kleinen Haus in Traynor war sozusagen zweigeteilt: Die rechte Seite gehörte ihr, für ihre Näharbeiten und ihre Puzzles, die linke Seite diente ihm als Arbeits- und Lesezimmer – aber ihnen beiden war eines so klar, dass sie kaum darüber reden mussten: Eines Tages würde dieses Zimmer dem Kind – Andy oder Jenny – gehören. Aber wo blieb das Baby? Die Nähmaschine und Körbchen mit Stoff und der Kartentisch und der Schreibtisch und der Lesesessel behielten alle ihre Plätze und schienen mit jedem Monat ihre Positionen in dem Zimmer zu konsolidieren und ihre Legitimität noch weiter auszubauen. Das dachte sie, obwohl sie den Gedanken nie richtig kristallisieren konnte; er war wie das Wort pornografisch ein Konzept, das gerade außerhalb ihrer Fähigkeiten, es zu erfassen, tanzte. Aber sie erinnerte sich, wie sie einmal ihre Periode bekommen und das Schränkchen unter dem Waschbecken im Bad aufgemacht hatte, um ihre Monatsbinden herauszuholen; sie erinnerte sich, wie sie den Karton Stayfree-Binden betrachtet und gedacht hatte, dass er beinahe hämisch aussah, beinahe zu sagen schien: Hallo, Patty! Wir sind deine Kinder. Andere Kinder als uns wirst du nie haben. Und wir haben Hunger. Still uns. Still uns mit deinem Blut.
    1976, drei Jahre, nachdem sie ihre Antibabypillen weggeworfen hatte, suchten Stanley und sie einen Arzt namens Harkavay in Atlanta auf. »Wir möchten wissen, ob mit uns etwas nicht in Ordnung ist«, erklärte Stan, »und wenn ja, ob man etwas dagegen tun kann.«
    Es wurden alle erforderlichen Tests gemacht; sie zeigten, dass Stans Sperma lebte und gut war, dass Patty fruchtbar war und alle Kanäle, die offen sein mussten, das auch tatsächlich waren.
    Harkavay, der keinen Ehering trug und das offene, muntere und frische Gesicht eines College-Studenten hatte, der gerade vom Skiurlaub in Colorado zurückgekehrt ist, erklärte ihnen, dass sie mit ihrem Problem keineswegs allein dastünden. In solchen Fällen gäbe es anscheinend irgendeine psychologische Wechselwirkung, ähnlich wie bei Impotenz – je mehr man es wollte, desto weniger klappte es. Sie sollten sich entspannen. Sie sollten, wenn sie könnten, beim Sex nicht an Nachwuchs denken.
    Stan war auf dem Heimweg mürrisch. Patty fragte ihn nach dem Grund.
    »Das tue ich nie «, sagte er.
    »Was denn?«
    » Dabei an Nachwuchs denken«, sagte er.
    Sie fing an zu kichern, obwohl sie

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