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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sich inzwischen ein wenig einsam und verängstigt fühlte. Und in jener Nacht, als sie glaubte, Stan wäre schon längst eingeschlafen, erschreckte er sie, als er plötzlich im Dunkeln sprach: mit einer tonlosen Stimme sprach, die vor unterdrückten Tränen schwankte. »Ich bin derjenige«, sagte er, »ich bin schuld daran.«
    Sie drehte sich zu ihm, griff nach ihm, nahm ihn ganz fest in ihre Arme.
    »Stanley, red doch keinen solchen Unsinn«, sagte sie. Aber sie hatte Herzklopfen – starkes Herzklopfen. Sie war nicht einfach nur bestürzt über seine Worte; es war vielmehr so, als hätte er ihre geheimsten Gedanken gelesen, eine heimliche Überzeugung, für die sie keine vernünftige Erklärung hätte anführen können: Sie spürte – sie wusste – dass etwas tatsächlich nicht in Ordnung war … und es lag nicht an ihr. Es lag an ihm, wie er soeben gesagt hatte. Etwas in ihm war schuld daran.
    »Sei kein solcher Dummkopf«, flüsterte sie, den Kopf an seiner Schulter. Er schwitzte etwas, und sie begriff plötzlich, dass er Angst hatte, dass die Angst in Kältewellen aus ihm entwich; nackt neben ihm zu liegen war plötzlich so, als stünde man nackt vor einem offenen Kühlschrank.
    »Ich bin kein Dummkopf und ich rede keinen Unsinn«, sagte er mit der gleichen tonlosen, tränenerstickten Stimme, »und das weißt du. Es ist meine Schuld. Aber ich weiß nicht, warum .«
    »Du kannst nichts Derartiges wissen.« Ihre Stimme war barsch, zänkisch – so hörte sich die Stimme ihrer Mutter an, wenn diese Angst hatte. Und während sie noch mit ihm schimpfte, durchfuhr sie ein heftiger Schauder, geißelte ihren Körper wie eine Peitsche. Stanleys Arme schlossen sich fester um sie. Er hatte ihre Angst bemerkt.
    »Manchmal«, sagte er, »manchmal glaube ich, den Grund zu kennen. Manchmal habe ich einen Traum, einen bösen Traum, und ich erwache und denke: ›Jetzt weiß ich es. Ich weiß, was nicht in Ordnung ist.‹ Nicht nur, warum du nicht schwanger wirst – alles. Alles, was in meinem Leben nicht in Ordnung ist.«
    »Stanley, in deinem Leben ist alles in Ordnung!«
    »Ich meine auch nicht innerlich«, sagte er. »Innerlich ist alles in Ordnung. Ich meine äußerlich. Etwas, was vorbei sein sollte, es aber nicht ist. Ich erwache aus diesen Träumen und denke: ›Mein ganzes angenehmes Leben war nichts weiter als das Auge eines Sturms, den ich nicht verstehe.‹ Ich fürchte mich. Und dann … verblasst alles sofort wieder, wie das bei Träumen so üblich ist.«
    Sie wusste, dass er manchmal schlecht träumte. Mindestens ein halbes Dutzend Mal war sie aufgewacht, weil er stöhnte und um sich schlug. Vermutlich hatte sie seine Albträume aber auch manchmal verschlafen. Wenn sie ihn nach dem Inhalt dieser Träume fragte, sagte er immer dasselbe: Ich kann mich nicht erinnern. Dann griff er nach seinen Zigaretten, rauchte im Bett und wartete, dass sich die Reste des Traums wie Schweiß durch seine Poren verflüchtigten.
    Ihre Kinderlosigkeit ging nicht vorüber, und am Abend des 28. Mai 1985, am Abend des Bades, warteten ihre Eltern immer noch darauf, Großeltern zu werden. Das zusätzliche Zimmer war immer noch nur ein zusätzliches Zimmer. Die Stayfree Minis und Stayfree Maxis lagen weiterhin am gewohnten Platz auf dem Regal unter dem Waschbecken im Bad; sie bekam ihre Periode so regelmäßig wie eh und je. Ihre Mutter, die mit ihren eigenen Angelegenheiten zwar mehr als beschäftigt, der das Leid ihrer Tochter aber dennoch nicht entgangen war, hatte aufgehört, in ihren Briefen Fragen zu stellen; und auch, wenn Stan und Patty zweimal im Jahr zu Besuch kamen, fragte sie nichts und sparte sich die lustigen Seitenhiebe, ob sie denn auch ihr Vitamin E einnähmen. Stanley ließ ebenfalls keine Bemerkungen mehr über Babys fallen, aber manchmal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, sah sie einen Schatten auf seinem Gesicht. So als wollte er sich verzweifelt an etwas erinnern.
    Abgesehen von dieser einen Wolke, verlief ihr gemeinsames Leben jedoch sehr angenehm, bis zum Abend des 28. Mai, als mitten in der Show Familien-Duell das Telefon läutete. Patty hatte sechs von Stans Hemden, zwei ihrer Blusen, ihr Nähkästchen und ihre Knopfschachtel neben sich; Stan hatte den neuen Roman von William Denbrough in der Hand. Auf dem Cover war ein knurrendes Tier abgebildet, auf der hinteren Einbandseite ein Mann mit Glatze und dicker Brille.
    Stan, der näher am Apparat saß als Patty, nahm den Hörer ab und meldete sich wie immer:

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