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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hatten sich mit ihrer Verlobung abgefunden, obwohl sie alles andere als glücklich darüber waren. Es blieb ihnen aber kaum etwas anderes übrig, obwohl Stanley Uris Marketing sich bald einer hoffnungslos flauen Arbeitsmarktlage für junge Wirtschaftsprüfer stellen musste, ohne dass seine Familie das nötige Kapital hatte, um ihm beim Eintritt in diesen Dschungel Rückhalt bieten zu können. Offenbar, so dachten Patricias Eltern, würde er diese Welt mit ihrer einzigen Tochter als Glückspfand betreten. Aber Patty war zweiundzwanzig Jahre alt, eine junge Frau, die demnächst ihren Bachelor of Arts machen würde.
    »Ich werde diese Brillenschlange für den Rest meines Lebens unterstützen müssen«, hatte Patty ihren Vater eines Abends sagen hören. Ihre Eltern waren an jenem Abend ausgegangen, und dabei hatte ihr Vater etwas zu viel getrunken.
    »Pst, sie wird dich hören«, hatte Ruth Blum gesagt.
    Patty hatte bis spät nach Mitternacht wach gelegen – tränenlos, abwechselnd heiß und kalt, beide Eltern in diesem Moment hassend. In den folgenden zwei Jahren hatte sie sich nach Kräften bemüht, ihren zahlreichen Hassgefühlen nicht auch noch den Hass auf ihren eigenen Vater hinzuzufügen. Wenn sie in den Spiegel sah, konnte sie manchmal sehen, was der Hass in ihrem Gesicht anrichtete, die feinen Linien, für die er verantwortlich war. Diesen Kampf hatte sie gewonnen. Stanley hatte ihr dabei geholfen.
    Seine Eltern waren über ihre Verlobung ebenso besorgt gewesen. Natürlich waren sie nicht der Meinung, ihr Stanley würde einem Leben in Armut und Elend ins Auge blicken, dennoch hielten sie die Entscheidung für »überstürzt«. Donald Uris und Andrea Bertoly hatten zwar selbst mit Anfang zwanzig geheiratet, diese Tatsache schienen sie aber vergessen zu haben.
    Nur Stanley schien seiner selbst völlig sicher zu sein, sich keine Sorgen zu machen, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Und sein Selbstvertrauen hatte sich in jeder Hinsicht als berechtigt erwiesen. Im Juli 1972, als die Tinte auf ihrem Diplom noch nicht ganz trocken war, hatte sie eine Stelle als Lehrerin für Steno und Wirtschaftsenglisch in der Kleinstadt Traynor, fünfundsechzig Kilometer südlich von Atlanta, bekommen. Wenn sie darüber nachdachte, wie sie zu dem Job gekommen war, fand sie es immer ein wenig – nun, unheimlich. Sie hatte eine Liste von vierzig Möglichkeiten aus Anzeigen in Lehrerzeitschriften zusammengestellt und dann an fünf Abenden vierzig Briefe geschrieben – an jedem Abend acht – und um nähere Informationen zu den Stellen sowie um Bewerbungsunterlagen gebeten. Zweiundzwanzig Antworten besagten, dass die Stellen bereits vergeben waren. In anderen Fällen deuteten erforderliche Kenntnisse und Erfahrungen an, dass sie nicht infrage kam; sich zu bewerben wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Es waren ein Dutzend Möglichkeiten übrig geblieben. Jede sah so aussichtsreich aus wie die andere. Stanley war hereingekommen, während sie über den Bewerbungsbögen brütete und sich fragte, wie sie es schaffen sollte, zwölf Bogen auszufüllen, ohne total irre zu werden. Er hatte die Unterlagen auf dem Tisch angesehen und dann auf den Brief des Schulrats von Traynor gedeutet, einen Brief, der ihrer Meinung nach nicht mehr oder weniger vielversprechend aussah als alle anderen.
    »Da«, sagte er.
    Sie schaute ihn an, erschrocken über die ruhige Sicherheit in seiner Stimme. »Weißt du etwas über Georgia, das ich nicht weiß?«, fragte sie.
    »Nee. Ich war nur einmal dort. Im Kino.«
    Sie sah ihn mit hochgezogener Braue an.
    »Vom Winde verweht. Vivien Leigh. Clark Gable. ›Ich denk morgen darübah nach, denn morgen ist ein neuah Tag.‹ Höre ich mich an, als würde ich aus dem Süden stammen, Patty?«
    »Ja. Aus der Süd-Bronx. Wenn du noch nie in Georgia warst und nichts darüber weißt, warum …«
    »Weil es richtig ist.«
    »Das kannst du doch nicht wissen, Stanley.«
    »Ich weiß es aber«, sagte er einfach. Als sie ihn ansah, merkte sie, dass er nicht scherzte. Er meinte es wirklich ernst, und unwillkürlich lief ihr ein Schauder des Unbehagens über den Rücken.
    » Woher weißt du es?«
    Sein Lächeln wurde etwas unsicher, und einen Augenblick lang schien er verwirrt zu sein. Seine Augen verschleierten sich, so als schaute er in sich hinein und zöge irgendeine innere Vorrichtung zu Rate, die zuverlässig funktionierte, die er aber letztlich selbst ebenso wenig verstand wie der Durchschnittsmensch den Mechanismus

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