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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Waschbecken gebeugt, und auf die Seufzer und Geräusche von vor siebenundzwanzig Jahren wartete, wusste sie selbst nicht; es war Mrs. Kershs Stimme, die sie aus der Halbhypnose riss: »Tee, Fräulein.«
    Sie zuckte zusammen und verließ erleichtert das Bad. Wenn irgendwo dort unten im Abfluss schwarze Magie am Werk gewesen war, so gab es sie jetzt nicht mehr … oder sie schlief.
    »Sie hätten sich wirklich nicht so viel Mühe machen sollen!«
    Mrs. Kersh schaute sie freundlich lächelnd an. »O Miss, wenn Sie wüssten, wie selten ich Besuch habe, würden Sie das nicht sagen. Ich tische ja sogar dem Zählerableser von der Stromgesellschaft mehr auf.«
    Zarte Tassen und Untertassen aus dünnem eierschalenfarbenem, mit Blau abgesetztem Porzellan standen auf dem runden Küchentisch. Auf einer Platte lagen kleine Kuchen und Kekse. Daneben verströmte eine dampfende Teekanne aromatischen Duft. Leicht amüsiert dachte Bev, dass das Einzige, was noch fehlte, jene kleinen Sandwiches mit der abgeschnittenen Kruste waren, die sie immer Tantensandwiches genannt hatte und von denen es drei Sorten gab: mit Frischkäse und Oliven, mit Brunnenkresse und mit Eiersalat.
    »Setzen Sie sich«, sagte Mrs. Kersh. »Setzen Sie sich, Miss, dann werde ich den Tee einschenken.«
    »Ich bin keine Miss«, sagte Beverly und hob die linke Hand, damit Mrs. Kersh ihren Ring sehen konnte.
    Die alte Frau lächelte und machte eine abwehrende Geste. »Ich sage zu allen hübschen jungen Mädchen Miss«, erklärte sie. »Das ist so eine Angewohnheit von mir. Nehmen Sie es mir nicht übel.«
    »Nein«, sagte Beverly. »Warum sollte ich?« Aber trotzdem verspürte sie plötzlich ein leichtes Unbehagen: Das Lächeln der alten Frau hatte etwas an sich gehabt – aber was? Etwas Unangenehmes? Falsches? Wissendes? Aber das war doch lächerlich, völlig absurd.
    »Es gefällt mir, was Sie aus dieser Wohnung gemacht haben«, sagte sie.
    »Wirklich?«, sagte Mrs. Kersh und schenkte Tee ein. Er sah dunkel und trüb aus. Bev war sich nicht sicher, ob sie ihn trinken wollte … und auf einmal war sie sich auch gar nicht sicher, ob sie überhaupt hier sein wollte.
    Es stand Marsh auf der Klingel, flüsterte plötzlich eine innere Stimme, und leichte Furcht überfiel sie.
    Mrs. Kersh reichte ihr den Tee.
    »Danke«, sagte Beverly. Er duftete wunderbar. Sie nippte vorsichtig daran. Er schmeckte gut. Hör auf, überall Gespenster zu sehen, sagte sie sich. »Besonders Ihre Zedernkommode ist ein herrliches Stück.«
    »Eine Antiquität«, erwiderte Mrs. Kersh und lachte. Beverly bemerkte einen Schönheitsfehler an ihr, der hier oben im Norden der USA weit verbreitet war: Sie hatte sehr schlechte Zähne – sie sahen zwar kräftig aus, waren aber ganz gelb. Die beiden Vorderzähne standen über Kreuz, und die Eckzähne waren sehr lang und erinnerten direkt an Stoßzähne.
    Sie waren weiß … als sie an die Tür kam, lächelte sie, und du dachtest noch, wie auffallend weiß sie seien.
    Plötzlich fürchtete sie sich nicht mehr nur ein bisschen. Plötzlich wollte sie nichts wie weg.
    »O ja, sie ist wirklich sehr alt«, wiederholte Mrs. Kersh und trank ihren Tee laut schlürfend mit einem Schluck aus. Sie lächelte Beverly zu – sie grinste sie an -, und Beverly stellte entsetzt fest, dass auch ihre Augen sich verändert hatten. Die Hornhaut war jetzt altersgelb, mit Rot durchzogen. Selbst ihr Haar war dünner geworden und sah plötzlich ungepflegt aus; die silberweißen, mit Gold durchsetzten Flechten waren schmutzig grau.
    »Sehr alt«, murmelte Mrs. Kersh noch einmal über ihrer leeren Tasse und sah Beverly aus ihren gelben Augen verschlagen an. Das abstoßende Grinsen enthüllte wieder ihre schrecklichen Zähne. »Ich hab sie von zu Hause mitgebracht. Sind Ihnen die Initialen aufgefallen?«
    »Ja.« Beverly hatte das Gefühl, als käme ihre eigene Stimme von weit her, und sie versuchte sich an einen Gedanken zu klammern: Wenn sie nicht weiß, dass du die Veränderung bemerkt hast, bist du vielleicht noch in Sicherheit, wenn sie nicht weiß, nicht sieht …
    »Mein Vater«, sagte die Alte – sie sprach es wie Vadder aus -, und Beverly bemerkte, dass nun auch ihr Kleid sich verändert hatte. Es war glänzend schwarz. Und die Kamee war ein Schädel mit schaurig gähnendem Kiefer. »Sein Name war Robert Gray, besser bekannt als Bob Gray, noch besser bekannt als Pennywise der Tanzende Clown. Obwohl auch das nicht sein richtiger Name war. Aber mein Vadder liebte

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