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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Unendlichkeit, diesem einzigen Akt, bei dem der Blutstrom die Ewigkeit berührt. Alles andere spielt jetzt keine Rolle. Wichtig sind nur Liebe und Verlangen. Hier in dieser Dunkelheit ist es so gut wie an jedem anderen Ort. Wahrscheinlich besser als an einigen anderen.
    Mike kommt zu ihr, dann Richie, und der Akt wiederholt sich. Jetzt verspürt sie auch schwache Lust, ein vages Hitzegefühl in ihren kindlichen, noch nicht reifen Geschlechtsorganen, und sie schließt die Augen, als Stan zu ihr kommt. Sie denkt an die Vögel, an Frühling und an die Vögel, und sie sieht sie wieder und immer wieder, wie sie alle auf einmal auftauchen und die winterkahlen Bäume füllen, Schockwellenreiter auf dem Wellenkamm der grausamsten Jahreszeit der Natur. Sie sieht sie wieder und wieder mit den Flügeln schlagen, das Flattern ihrer Flügel, das klingt wie unzählige Laken auf der Leine im Wind, und sie denkt: Nur noch ein Monat, dann werden alle Kinder im Derry Park Drachen steigen lassen, während die Leinen der Drachen sich unausweichlich ineinander verheddern. Sie denkt wieder: So muss Fliegen sein.
    Und auch bei Stan wie bei den anderen verspürt sie dieses seltsame Gefühl des Verlustes, des Verlassens, sich dem Gipfel dieses Akts zwar genähert, ihn aber nicht erklommen zu haben.
    »Hast du?«, fragt sie wieder, und obwohl sie nicht genau weiß, wonach sie eigentlich fragt, ahnt sie bereits, dass er verneinen wird.
    Nach einer langen Wartezeit kommt Ben zu ihr.
    Er zittert am ganzen Leib, aber es ist nicht das ängstliche Zittern, das Stan geschüttelt hat.
    »Beverly, ich kann nicht«, sagt er in einem Ton, der nüchtern klingen soll, aber niemanden – nicht mal ihn selbst – überzeugen kann.
    »Du kannst es auch. Das fühle ich.«
    Und wie sie es fühlt. Unterhalb seines weiches Bauches, der sich zaghaft gegen sie drückt, spürt sie wieder dieses harte Ding. Seine Größe erweckt eine gewisse Neugierde in ihr, und sie berührt es sanft. Er stöhnt gegen ihren Hals, und der Hauch seines Atems verursacht eine Gänsehaut auf ihrem nackten Körper. Eine Welle wohliger Wärme durchjagt sie, und das Gefühl in ihr ist mit einem Mal gewaltig; sie erkennt, dass es sich zu groß
    (und wenn er zu groß ist, wird sie das verkraften?)
    und zu erwachsen für sie anfühlt; sie weiß, sie kann es nicht ausfüllen. Es kommt ihr vor wie Henrys M-80-Kanonenschläge, etwas, was nichts für Kinder ist, etwas, was explodieren und jemanden verletzen könnte. Aber dies ist weder der Ort noch die Zeit sich zu sorgen; hier herrschen Liebe und Verlangen und die Dunkelheit. Wenn sie die ersten beiden davon nicht ausprobieren, werden sie sicher in der letzten zurückbleiben.
    »Beverly, nein …«
    »Doch.«
    »Ich …«
    »Zeig mir, wie man fliegt«, flüstert sie mit einer Ruhe, die sie selbst nicht fühlt; sie spürt auf ihrer Wange und auf ihrem Hals eine nasse Wärme und begreift, dass er weint. »Zeig es mir, Ben.«
    »Nein …«
    »Wenn du das Gedicht geschrieben hast, dann zeig mir auch, wie man fliegt. Du kannst gern meine Haare berühren, wenn du möchtest, Ben. Es ist okay.«
    »Beverly … ich … ich …«
    Er zittert jetzt nicht einfach, sondern es schüttelt ihn regelrecht. Aber sie fühlt wieder, dass dieses Schütteln nicht Angst als Ursache hat; es ist nur der Vorbote der Essenz dieses Akts. Sie denkt an
    (die Vögel)
    sein Gesicht, sein liebes, süßes, ernsthaftes Gesicht und weiß jetzt, dass es nicht Angst ist, die ihn erzittern lässt – es ist sein Begehren, ein tiefes, leidenschaftliches Begehren, das er jetzt kaum noch unterdrücken kann, und wieder verspürt sie dieses Gefühl der Macht, das Gefühl zu fliegen, als ob man von oben herunterschaut und all die Vögel auf den Dachspitzen sieht, auf der Fernsehantenne vom Wally’s, als ob man Straßen sieht, die sich ausbreiten, o ja, das muss es sein, es sind Liebe und Verlangen, die einem das Fliegen lehren.
    »Ben! Ja!«, ruft sie plötzlich, und nun lässt er sich endlich fallen.
    Es tut wieder weh, und im ersten Moment erschrickt sie und hat das Gefühl, erdrückt zu werden. Dann stützt er sich auf seine Handflächen, und das Gefühl vergeht.
    Er ist groß, o ja – der Schmerz ist zurück und er ist tiefer als vorhin, als Eddie zum ersten Mal in sie eindrang. Sie muss sich wieder auf die Unterlippe beißen und an die Vögel denken, bis das Brennen nachlässt. Aber es lässt nach, es hört ganz auf, und sie kann ihre Hand heben und mit einem Finger zärtlich seine

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