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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Lippen berühren. Er stöhnt.
    Die Hitze ist zurück, und sie fühlt ihre Macht plötzlich auf ihn übergehen; sie verschenkt sie gern und lässt sich mitreißen. Zuerst ist es ein Gefühl, als würde sie sanft geschaukelt, und es ist so köstlich, so süß, so schwindelerregend, dass sie den Kopf hilflos von einer Seite auf die andere wirft und eine Art Summen zwischen ihren geschlossenen Lippen hervordringt; das ist Fliegen, o Liebe, o Verlangen, oh, man kann es unmöglich verleugnen, es verbindet, gibt, schafft einen Kreislauf: verbindet, gibt … verleiht die Fähigkeit zu fliegen.
    »O ja, Ben, mein Ben, o ja«, flüstert sie im Dunkeln und fühlt den Schweiß auf ihrem Gesicht, fühlt ihre enge Verbundenheit wie etwas, was unwiderruflich seinen Platz gefunden hat, wie die Ewigkeit, die liegende Acht. »Ich liebe dich so sehr, Ben«.
    Und dann spürt sie, wie jenes Etwas sich in ihr vollzieht – jenes Etwas, von dem die Mädchen, die auf der Toilette darüber flüstern und kichern, keine Ahnung haben, zumindest soviel sie weiß; sie reden einfach darüber, wie grässlich dieser Sex sein soll, und nun begreift sie, dass für viele von ihnen Sex ein unerfülltes, unbestimmtes Monster sein muss; wenn sie den Akt meinen, sagen sie »es«. Sie überlegen, ob sie »es« jemals machen würden, ob ihre Schwester und ihr Freund »es« machen, ob ihre Eltern »es« immer noch machen; man könnte meinen, die Mädchen der fünften Klasse seien allesamt zukünftige alte Jungfern. Beverly ist sich bewusst, dass keine von ihnen diese … Emotionen auch nur erahnen kann, und nur ihr Wissen, dass die anderen sie hören werden und denken werden, dass sie Schmerzen hat, hält sie davon ab, diese Erkenntnis herauszuschreien. Sie schiebt ihre Handkante in den Mund und beißt darauf. Sie versteht das schrille Lachen von Greta Bowie und Sally Mueller und all den anderen jetzt besser: Hatten sie, die sieben Verlierer, nicht gerade den Großteil ihres längsten und schrecklichsten Sommers damit verbracht, wie die Irren zu lachen? Man lacht, weil das, was furchterregend und unbekannt ist, zugleich auch komisch ist, man lacht, so wie ein kleines Kind manchmal gleichzeitig lacht und weint, wenn es einen herumhüpfenden Clown auf sich zukommen sieht; es weiß, dass der Clown komisch sein soll … aber er verkörpert auch etwas Unbekanntes, er verkörpert die ewige Macht des Unbekannten.
    Obwohl sie fest in ihre Hand beißt, lässt sich der Schrei nicht unterdrücken, und sie kann die anderen – und Ben – nur beruhigen, indem sie ihre Bejahung des Akts in die Dunkelheit hinausschreit.
    »Ja! Ja! Ja!« Herrliche Bilder vom Fliegen schwirren ihr durch den Kopf, und dazu hört sie das Kreischen der Stare und Grackeln, und diese schrillen Laute werden für sie zur herrlichsten Musik der Welt.
    Sie fliegt, sie fliegt empor, und nun ist die Macht nicht mehr in ihr oder in Ben, sondern irgendwo zwischen ihnen und er schreit auf, und sie fühlt das Zittern seiner Arme und sie drückt sich ihm entgegen und in ihn hinein, nimmt ihn tiefer auf und spürt, wie er sich verkrampft und zuckt, seine Berührung, die allumfassende und doch vergängliche Intimität, die er in der Dunkelheit mit ihr teilt. Und gemeinsam überschreiten sie die Schwelle und werden eins im Licht des Lebens.
    Dann ist es vorüber, und sie liegen einander in den Armen. Als er etwas sagen will – vielleicht eine dumme Entschuldigung, die ihr wehtun würde, die ihre Erinnerung daran trüben würde -, schließt sie ihm den Mund mit einem Kuss und schickt ihn fort.
    Bill kommt zu ihr.
    Er möchte etwas sagen, aber er stottert jetzt so stark, dass er kein Wort hervorbringt.
    »Sei still«, sagt sie mit der Sicherheit ihres neu erworbenen Wissens. Zugleich wird sie sich jetzt aber auch ihrer Erschöpfung bewusst, und sie fühlt sich wund. Die Innenseiten und Unterseiten ihrer Schenkel sind klebrig, und sie vermutet, dass die Feuchtigkeit entweder von Ben stammt oder dass sie blutet. »Alles wird völlig in Ordnung sein.«
    »B-B-B-Bist d-d-du d-d-dir s-s-s-s-sicher?«
    »Ja«, sagt sie und schlingt ihre Arme um seinen Nacken, spürt seine verschwitzten Haare unter ihren Fingern. »Darauf kannst du wetten.«
    »I-I-I-Ist e-es … i-i-i-ist …«
    »Pst …«
    Es ist anders als mit Ben; es ist eine andere Art von Leidenschaft. Jetzt mit Bill zusammen zu sein, ist der beste Abschluss, den es überhaupt geben konnte. Er ist sanft, zärtlich, fast ruhig. Sie spürt sein Begehren, aber es

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