Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
hoch. „Ja, so heißt sie. Im Moment ist sie im Präsidium. Sie ist völlig außer sich“, fügte er an. „Kennst du sie etwa?“
„Nicht nur ich“, sagte sie und fasste seinen Arm. „Du kennst sie ebenfalls.“
Nachdem sie noch über eine Stunde mit Bragg zusammen am Tatort verbracht hatte, ging Francesca zwei Häuser weiter, um Maggie Kennedy aufzusuchen, die Näherin, mit der sie seit einer Weile gut befreundet war. In Gedanken versunken begab sie sich durch das schmale Treppenhaus hinauf zu der Wohnung, in der Maggie lebte. Ein Mörder lief frei herum. Ein Mann, dessen Opfer einiges gemeinsam hatten: Sie waren jung und hübsch, sie gehörten zur Arbeiterklasse, und sie wohnten alle im Umkreis von zwei Häuserblocks. Die beiden ersten Frauen, Francis O’Leary und Kate Sullivan, lebten zudem allein. Francis’ Ehemann schien vor gut zwei Jahren verschwunden zu sein, und Kate hatte ihren Mann verlassen. Margaret Cooper trug keinen Ehering, und in ihrer Wohnung deutete nichts darauf hin, dass sie mit einem Mann zusammenlebte. Offenbar war auch sie alleinstehend, auch wenn diese Vermutung erst noch bestätigt werden musste. Alle drei Opfer waren an einem Montag überfallen worden, jeweils im Abstand von einer Woche. Es war fast so gut wie sicher, dass es hier im Viertel am kommenden Montag zum nächsten Zwischenfall kommen würde.
Zum Glück lebten Francis O’Leary und Kate Sullivan noch, sodass sie sich mit ihnen unterhalten konnte – vielleicht sogar noch an diesem Nachmittag. Die Polizei hatte beide Frauen zwar befragt, dennoch war Francesca überzeugt davon, dass den Beamten etwas Wichtiges entgangen war. Schließlich hatte sich Bragg zu dem Zeitpunkt noch nicht persönlich um die Fälle gekümmert.
Auf einmal fiel ihr die Dinnerparty ein, die ihre Mutter gab. Sie stieß einen leisen Seufzer aus, da sie wusste, dass sie nicht fehlen durfte. Anderenfalls würde sie es teuer bezahlen, schließlich war Julia Van Wyck Cahill keine Frau, die es auf die leichte Schulter nahm, wenn man nicht tat, was sie geplant hatte. Die Befragungen – vor allem die von Gwen O’Neil –würden warten müssen, da es bereits nach sechs war. Es gefiel Francesca gar nicht, dass Gwen mit ihrer Tochter Bridget die Wohnung direkt neben der des Opfers hatte – so wie es ihr nicht behagte, dass Maggie mit ihren Kindern ebenfalls nur einen Steinwurf vom Tatort entfernt wohnte. Andererseits gab es in der Nachbarschaft noch Dutzende Frauen mehr, die in Armut lebten.
Als sie vor Maggies Wohnungstür stand, musste sie daran denken, wie weit sie und Bragg sich voneinander entfernt hatten. Vielleicht war es naiv von ihr gewesen zu glauben, sie beide könnten befreundet bleiben, sollte er sich wieder mit seiner Frau versöhnen und sie einen anderen Mann heiraten. Aber er liebte seine Frau, und sie ihrerseits schätzte Hart sehr. Seit er vor zwei Wochen in einer geschäftlichen Angelegenheit nach Chicago abgereist war, hatte sie Mühe, nicht immerzu nur an ihn zu denken.
Die Nachricht, dass man Leigh Anne morgen aus dem Krankenhaus entließ und sie nach Hause zurückkehrte, beruhigte Francesca. Sie fragte sich, ob sie wohl den Mut aufbringen würde, Leigh Anne dann endlich einen Besuch abzustatten. Kindergeschrei und lautes Lachen rissen Francesca aus ihren Gedanken, und sie musste unwillkürlich lächeln, als sie anklopfte. Maggie war verwitwet und zog allein vier Kinder groß.
Der elfjährige Joel Kennedy, vor kurzem noch ein Taschendieb und inzwischen Francescas unschätzbar wertvoller Helfershelfer, öffnete prompt die Tür. Der Junge hatte pechschwarzes Haar, die Hemdsärmel trug er bis zu den Ellbogen aufgekrempelt. Er kannte die Stadt wie seine Westentasche, und in der kurzen Zeit, die sie beide sich kannten, hatte er ihr mehr als einmal aus einer gefährlichen Situation geholfen. Sein Gesicht war gerötet, und er machte einen sehr verärgerten Eindruck. Sobald er Francesca erkannte, hellte sich seineMiene prompt auf. „Miss Cahill!“
Sie sah an ihm vorbei in die kleine Wohnung, in der normalerweise Ordnung herrschte. Nun aber trieben aufgewirbelte Gänsefedern durch das Wohnzimmer. Matt und Paddy, Joels jüngere Brüder, kugelten sich vor Lachen auf dem Boden und hielten die leeren Kissenhüllen in der Hand. Gegessen hatten die Kinder offensichtlich schon, da der Küchentisch mit Brotkrumen übersät war.
Joel folgte ihrem Blick und machte wieder eine finstere Miene. „Idioten“, sagte er. „Mum wird das nicht freuen,
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