Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Der Lastwagen war deswegen in einem ziemlich üblen Zustand gewesen. Der Fahrer hatte das Kamel erschossen und die Polizei angerufen und den Unfall gemeldet. Der Polizist sagte, als er da rauskam, war das kleine Kamel aus dem Busch gekommen und hatte sich neben den Kadaver von seiner Mutter gelegt. Der Lastwagenfahrer hatte gesagt, er habe es nicht übers Herz bringen können, das Kleine zu erschießen. Gemeinsam hatten sie es einfangen können. Der Polizist hatte damit gerechnet, dass das Kamel auf dem Weg zur Polizeiwache von Marlu Hill vor Angst sterben würde, aber das hatte es nicht getan, also hatte er Dad angerufen, weil er hören wollte, ob wir es nicht nehmen könnten.
Während des Mittagessens wollte Emily immerzu wissen, welchen Namen ich dem Kamel geben würde. Ich sagte, ich hätte mir noch keinen ausgedacht. Sie sagte, ich solle es Stuart oder Christoper nennen. Ich hab ihr gesagt, sie soll aufhören zu nerven.
Sobald ich das Sandwich mit Rinderbraten, das Bobbie mir gemacht hatte, aufgegessen hatte, bedankte ich mich beim Polizisten dafür, dass er das Kamel rübergebracht hatte, und fragte, ob ich aufstehen durfte. Dad nickte und sagte, bevor ich wieder zum Kälberpferch ginge, sollte ich mir einen Stock suchen, der groß genug war, um ein Kamel zu verprügeln. Ich war die Stufen zum Hof schon halb runter, aber ich hörte noch, was er sagte, ehe das Fliegengitter von der Hintertür zuschlug.
Als ich zum Kälberpferch kam, beachteten die Kälbchen das Kamel gar nicht – so als ob sie wüssten, dass es nicht so war wie sie. Das Kamel war ganz allein, abgesehen von einem großen Schwarm Fliegen, die wie eine Wolke um seinen Kopf schwirrten. Da beschloss ich, dass es Buzz heißen würde.
Ich sagte laut zu ihm, dass ich ihn Buzz rufen würde. Er sah mir in die Augen und blökte, ehe er sich zum Boden bückte und ein kleines Büschel Gras ankaute. Das war für mich das Zeichen, dass ihm der Name auch gefiel, und ich lächelte vor mich hin. Als er den Kopf wieder hob und mich anguckte, streckte ich den Arm aus und kraulte ihm die Ohren. Das Fell oben auf seinem Kopf war weicher, als es aussah, aber der Schädel darunter fühlte sich ganz hart und knochig an. Nach einer Weile wurde er ein bisschen aufgeregt und bäumte sich etwas auf, aber ich hatte den Stock bei mir, und den musste ich ihm nur zeigen, und dann beruhigte er sich ganz schnell wieder. Darüber war ich froh. Ich wollte ihn nicht schlagen – zumindest nicht, wenn es nicht unbedingt nötig war.
5
ICH HATTE BUZZ SCHON ETWA einen Monat, als wir wieder einen Anruf bekamen, der nicht von Tante Ve war. Sissy ging ans Telefon. Mittlerweile hatte sie aufgehört zu kotzen und angefangen, alles in Sichtweite zu essen. Sie wurde allmählich richtig fett, nicht so fett wie Tante Ve, aber trotzdem ziemlich massig. Wir hatten zu Abend gegessen und räumten gerade den Tisch ab, als Sissy den Hörer an Mum weitergab und sagte: »Ist für dich«, ehe sie sich mit langem Gesicht wieder in ihr Zimmer trollte. Immer noch redete sie kaum mit jemandem ein Wort.
Der Anruf war von einer Pommie, die sich nach dem Hausmädchenjob erkundigte. Ich glaub, Mum war genauso überrascht wie wir anderen, denn sie schien sich total zu verhaspeln, als sie versuchte, die Fragen der Pommie zu beantworten. »Wir leben in der Wüste, zweihundert Meilen von Alice Springs«, sagte sie. »Nein, nein … du hast dein eigenes Zimmer in einem Nebengebäude, auf der Farm. Du bist im selben Gebäude wie unsere Hauslehrerin Bobbie, das Mädchen, das die Kinder unterrichtet … genau, drei Kinder. Emily ist sieben, Danny dreizehn und Sissy vierzehn.« Sie erzählte ihr nicht, dass Sissy schwanger war.
Als Mum den Hörer auflegte, sah sie Dad an, der sagte: »Und?« Mum fand, die Pommie hätte sich angehört, als sei sie ganz in Ordnung, und sie könne in einer Woche anfangen, auf Timber Creek zu arbeiten, wenn jemand sie aus Alice zur Farm mitnahm. Mir war schlecht. Ich hoffte, jeder Jeep auf der Farm würde verrecken, damit keiner losfahren und sie holen konnte. Emily hatte große Augen bekommen, und ich merkte, dass sie aufgeregt war. »Wie heißt sie?«, rief Emily. Mum erzählte ihr, dass die Pommie Liz hieß, und Dad lachte. Er sagte, wir sollten sie Königliche Hoheit nennen, wie die Queen.
Eine Woche später kam das Pommie-Hausmädchen an. Bobbie brachte sie aus Alice mit, nachdem sie in der Stadt gewesen und sich mit einem Haufen anderer Hauslehrerinnen getroffen hatte, mit
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