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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Lewis
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nachgedacht, nicht gründlich . Er fand, das sei eine große Verpflichtung. Viel größer als die Kälbchen . Er sagte, wenn ich das Kamel nicht ordentlich abrichtete, würde es gefährlich werden und müsste erschossen werden. Er sagte, morgen früh würden wir noch mal darüber sprechen.
    Als ich im Bett lag, konnte ich kaum atmen. Ich hatte Angst und war aufgeregt, alles auf einmal. Ich dachte daran, was Jonny tun würde, und fragte mich, ob er wohl vom Himmel aus zugeschaut hatte – oder vielleicht ist das ja auch nur so eine Geschichte, wie die von der Zahnfee oder dem Weihnachtsmann. Keine Ahnung. Das Haus knarrte gegen die Stille an. Keiner war mehr da, alle lagen im Bett. Ich setzte mich auf und guckte aus dem Fenster. Es war richtig dunkel, kein Mond. Ich hörte irgendwo in der Ferne eine Kuh, warf die Decke zurück und ging ins Esszimmer, um Jonnys Bild zu berühren. Es war echt spät. Als ich ihn anschaute, fühlte ich mich irgendwie glücklich, glaub ich. Es war schon ewig her, seit ich mich wegen irgendwas richtig glücklich gefühlt hatte. Es war, als wüsste ich, dass ich das Kamel kriegen würde. Als ob es schon meins wäre.
    Beim Frühstück wartete ich darauf, dass Dad mich nach dem Kamel fragte. Ich wartete und wartete. Er redete mit Elliot über ein Bohrloch, das überprüft werden musste, er sagte Mum, sie solle mit seinem Jeep zur Arbeit fahren, damit er die Ölleitung am Ford reparieren konnte, er bat Lloyd, zum Gum Tree See zu fahren und nach dem Wasserstand zu sehen. Die ganze Zeit saß ich da und wartete. Dad kippte seinen – wie ich wusste – letzten Mundvoll Kaffee. Das bedeutete, er war dabei, vom Tisch aufzustehen und an die Arbeit zu gehen. Ich wollte etwas sagen, aber ehe ich dazu kam, brüllte Emily los: »Und was ist mit Dannys Kamel?« Ich wusste nicht, ob ich sie schlagen oder anlächeln sollte. Dad sah Mum an und dann mich. Er sagte, das hänge davon ab, was ich dachte – und ob ich die Verantwortung wollte . Ich schaute ihm in die Augen und sagte, ich schätze, dass ich damit fertig werden würde.
    Zwei Tage später ließ Bobbie uns alle früher aus der Schule, weil die Polizei mit einem Pferdeanhänger und diesem kleinen Kamel darin auftauchte. Wir wussten, dass sie kommen würden, und hatten schon den ganzen Morgen die Ohren gespitzt. Ich glaub, Bobbie war deswegen total bedient. Sie wusste, dass keiner von uns mit den Gedanken bei ihrem Unterricht war.
    Dad kam aus einem der Schuppen und schüttelte die Hand des Polizisten. Dann zog der Polizist die Heckklappe runter und da war dieses schlaksige Ding drinnen. Sein Kopf war viel zu groß für den restlichen Körper und die Beine waren zu lang und zu dünn – weiß auch nicht, wie es schaffte, sich darauf zu halten. Seine Augen waren enorm, und als es den Mund aufmachte, war ich ganz überrascht von dem Geräusch, das rauskam, es klang eher wie ein Schaf. Ich hörte, wie der Polizist zu Dad sagte: »Es ist nur ein Baby, aber es tritt wie ein Mistvieh.« Ich hatte keine Angst. Ich nahm das Seil, das um seinen Hals gebunden und an einem Haken an der Seite festgemacht war. Ich löste es und führte das Kamel vorsichtig die Rampe runter. Der Polizist sagte: »Sieh dich vor, mein Sohn.« Ich dachte, er hätte keine Ahnung, bis das kleine Kamel sich aufbäumte und mir fast den Kopf runterhaute.
    Dad schnappte mir das Kamel weg und gab ihm einen echt heftigen Tritt. Er sagte, ich müsse mir einen Stock holen und ihm jedes Mal eins überziehen, wenn es sich aufbäumte, bis ich ihm das rausgeprügelt hätte. »Du musst immer dran denken, dass es richtig wild ist. Du musst ihm zeigen, wer der Boss ist – klar?« Ich nickte.
    Ich hatte Bedenken, das Kamel zu den Kälbchen zu stecken. Ich wollte nicht, dass ihnen was zustieß. Aber Dad meinte, denen würde schon nichts passieren. Dad sagte, er würde das Kamel halten, während ich ihm eine Flasche Milch holte. Wir gaben ihm dieselbe Milch, die unsere Kälber bekamen, nur trank es sie aus einer alten Limoflasche mit einem Gummisauger drauf. Ein paar Anläufe brauchte es, bis es sich daran gewöhnt hatte, aber ich glaub, es war hungrig, also hatte es den Bogen ziemlich schnell raus.
    Der Polizist blieb über Mittag. Ich wollte kein Essen, ich wollte nur mit dem Kamel im Kälberpferch bleiben, aber Bobbie sagte, irgendwas müsse ich essen. Während wir aßen, erzählte der Polizist uns, dass ein Lastwagen auf der Straße nach Tanami die Mutter des kleinen Kamels überfahren hatte.

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