Eselsmilch
danach hat sie ein Stück
die Straße hinaufgeführt. Sie haben dann wohl in der Altstadt Thé à la menthe
getrunken und in den Souks um ein Kilo Datteln gefeilscht. Warum sollten sie
sich den Tag verderben lassen, Trübsal blasen, Martha bedeutete ihnen ja
nichts.
Fanni
hätte beinahe gelacht, als sie sich vorstellte, wie Hubert mit dem
marokkanischen Taxifahrer verhandelt hatte.
»Zwanzig
Dirham«, hatte ihnen Elke tags zuvor eingebläut, »mehr müsst ihr für die Fahrt
zum Djemaa el Fna nicht bezahlen. Einen Taxifahrer, der mehr verlangt, schickt
ihr einfach weg.«
So
haben sie es wohl mit dem ersten Taxi gemacht, die vier, dachte Fanni. Und weil
die Brügges recht wortkarg sind, wird Hubert geredet haben – hauptsächlich
in Zeichensprache. »Djemaa el Fna«, zwei Finger hoch für die zwanzig Dirham und
dann weiter auf Deutsch: »Sei froh, wenn wir einsteigen in deine Schrottkiste,
Beraber-Taxler.«
Als
Fanni zum ersten Mal gehört hatte, wie Hubert einen Marokkaner »Beraber« nannte –
»Rumtreiber-Beraber« um genau zu sein –, hatte sie gedacht, Hubert Seeger
sei ein geistloser Prolet, ungebildet, primitiv, geschmacklos, denn »Beraber«
galt in Niederbayern als Schimpfname, obwohl das Wort eigentlich nur einen
Berberstamm bezeichnete. Aber während jener Vorstellungsrunde hatte sie
erfahren, dass er Chefdesigner einer renommierten Elektronikfirma war und teils
beruflich, teils privat die halbe Welt bereist hatte.
Stellt
sich dümmer, als er ist, der Kerl! Warum macht er das? Will er sich als
niederbayerischer Provinztrottel verkaufen? Wozu?
Wie
Hubert wohl reagieren würde, dachte Fanni, wenn jemand auf die Idee käme, ihn
als »Mousepad-Beraber« zu bezeichnen?
»Fanni,
du stehst ja noch immer in Unterwäsche herum«, sagte Sprudel.
Sie
griff nach ihrer Hose und schlüpfte hinein. »Wen hast du draußen noch gesehen?«
Sprudel
sah sie betreten an. »Gisela und Bernd. Arm in Arm. Sie kamen rechts die Straße
herunter. Trugen volle Tüten in den Händen. Vermutlich haben sie in diesem
Supermarkt eingekauft, der an der nächsten Kreuzung Richtung Stadt liegen soll.
Elke sagte doch, dort gäbe es ein tolles Angebot an Gewürzen und bestes Arganöl
zu günstigen …«
»Gisela
und der Schwachstellenanalytiker so bald nach Marthas Tod Arm in Arm beim
Shoppen?« Fanni musste sich auf die Bettkante setzen.
Sprudel
nickte bekümmert. »Mir hat das auch nicht gefallen. Gerade mal vier Stunden
zuvor ist ihre Schwägerin tödlich verunglückt, und sie hat nichts Besseres zu
tun, als …«
Wieder
fiel ihm Fanni ins Wort. »Eigentlich ist das ganz typisch für Gisela. So ist
sie, so …«
»Egoistisch«,
half Sprudel aus.
»So
praktisch«, modifizierte Fanni, »so zupackend, kurz entschlossen.«
Sprudel
lachte leise. »Zupackend. Ja, der Ausdruck beschreibt recht treffend, wie sich
Gisela an Bernds Arm festhielt.«
Fanni
stand auf und zog ihre Bluse an. Während sie den Kragen richtete, erwiderte
sie: »Man sollte es Gisela nicht übel nehmen. Für Martha konnte sie ja nichts
mehr tun. Die ist längst in einem Blechsarg auf dem Weg nach Deutschland –
vielleicht ist sie inzwischen schon dort angekommen, liegt bereits in einem
Kühlfach in der Gerichtsmedizin. Hat nicht Elke gesagt, dass Martha obduziert
werden muss?«
In
Fannis Augen traten wieder Tränen. Sprudel nahm sie in die Arme.
»Siehst
du«, schniefte Fanni, »Gisela verhält sich klüger. Sie lenkt sich ab. Geht
shoppen. Liebäugelt mit Bernd.«
»Komm
bloß nicht auf den Gedanken, es ihr nachzumachen«, drohte Sprudel. »Mit Bernd
liebäugeln! Das will ich mir aber schwer verbeten haben.«
Da
musste Fanni lächeln. »Er ist überhaupt nicht mein Typ. Ich steh mehr auf tiefe
Wangenfalten«, sie fuhr mit der Fingerspitze von Sprudels Kinn bis zu seinem
rechten Ohr, »und auf große Ohren …«
Sprudel
drehte den Kopf und versuchte, nach ihrem Finger zu schnappen.
Fanni
machte eine Faust. »Klapperdürre, lange Kerle mit sonnenverbrannten
Clint-Eastwood-Visagen interessieren mich nicht.« Sie zog die Stirn kraus. »Was
macht ein Schwachstellenanalytiker eigentlich genau?«
»Ich
nehme an«, antwortete Sprudel, »er rechnet seinen Auftraggebern auf Heller und
Pfennig aus, was sie einsparen können.«
»Durch
Entlassungen«, stellte Fanni fest.
Sprudel
nickte und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Es wird Zeit.«
Fanni
war in ihre Straßenschuhe geschlüpft und wollte nach dem Umschlagtuch greifen,
das sie überall mit
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