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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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Füllung wahrnahm, vielleicht weil sich das noch vor ihrer Geburt zugetragen hatte. Womöglich war sie schon damals von der ungewöhnlichen Mischung aus Sardinen und Chorizo so überwältigt gewesen, daß sie schließlich den Entschluß gefaßt hatte, sie wolle den friedlichen Äther gegen Mama Elenas Leib vertauschen und Mama Elena damit zu ihrer Mutter erwählen, um sich auf diese Weise der Familie De la Garza einzugliedern, die solche Köstlichkeiten zu essen pflegte und vor allem diese unübertrefflichen Chorizos herzustellen verstand.
    Auf Mama Elenas Farm war die Zubereitung von Chorizos ein echtes Ritual. Bereits am Vortag galt es, Knoblauch zu schälen, Chili zu waschen und Gewürze zu mahlen. Ausnahmslos alle weiblichen Familienmitglieder hatten mitzuwirken: Mama Elena, ihre Töchter Gertrudis, Rosaura und Tita, Nacha, die Köchin, und Chencha, das Dienstmädchen. Nachmittags versammelte man sich zum Essen um den Eßzimmertisch, und wie i m Flug verging die Zeit bis zum Einbruch der Dämmerung mit Plaudereien und Späßen. Dann aber meinte Mama Elena:
    »Für heute ist es genug.«
    Da sie, wie es so schön heißt, nicht auf den Kopf gefallen waren, brauchte Mama Elena das nicht zweimal zu sagen; alle wußten, nachdem sie diesen Satz vernommen hatten, was zu tun war. Im Handumdrehen wurde der Tisch abgedeckt und anschließend die restliche Arbeit aufgeteilt: Eine versorgte die Hühner, eine andere schöpfte Wasser aus dem Brunnen und stellte es für das Frühstück am nächsten Morgen bereit, schließlich schaffte eine weitere das Holz für den Ofen herbei. An diesem Tag wurde nicht mehr gebügelt, gestickt oder Kleidung genäht. Nach vollendeter Arbeit begaben sich alle direkt auf ihre Zimmer, wo sie noch etwas lasen, beteten und schließlich zu Bett gingen. An einem dieser Abende, bevor noch Mama Elena gesagt hatte, man könne sich vom Tisch erheben, verkündete ihr Tita, die damals fünfzehn Jahre zählte, mit bebender Stimme, Pedro Muzquiz habe sich angesagt, um mit ihr zu sprechen ...
    »Worüber sollte dieser Herr schon mit mir sprechen wollen?« fragte Mama Elena nach so langem Schweigen, daß Tita beinahe das Herz zersprungen wäre.
    Mit kaum vernehmbarer Stimme erwiderte sie:
    »Ich weiß nicht. «
    Mama Elena warf ihr einen vernichtenden Blick zu, der für Tita all die Jahre widerspiegelte, in denen die Familie Mama Elenas despotische Herrschaft hatte ertragen müssen, und verkündete schließlich:
    »Falls er etwa um deine Hand anhalten will, wäre es besser, du ließest ihn gleich wissen, daß er es gar nicht erst versuchen soll. Er würde nur seine Zeit vergeuden und meine dazu. Du weißt sehr wohl, daß dir als dem jüngsten weiblichen Familienmitglied die Aufgabe zufällt, mich bis zu meinem Tode zu pflegen.«
    Als sie zu Ende gekommen war, erhob sie sich in aller Ruhe, verstaute ihre Brille in der Schürze und wiederholte noch einmal, damit auch unmißverständlich klar würde, daß dies ihr letztes Wort war:
    »Für heute wollen wir dieses Thema beenden!«
    Tita wußte sehr wohl, daß die Regeln des häuslichen Umgangs jede Diskussion ausschlossen, indes wagte sie zum ersten Mal in ihrem Leben den Versuch, sich einer Anweisung ihrer Mutter zu widersetzen.
    »Aber meiner Meinung nach ...«
    »Du hast überhaupt nichts zu meinen, und damit basta! Niemals, seit Generationen, hat jemand in meiner Familie gewagt, seine Stimme gegen dieses ungeschriebene Gesetz zu erheben, und ich werde es nicht dulden, daß ausgerechnet eine meiner Töchter diesen Brauch mißachtet!«
    Tita senkte den Kopf, und mit dem gleichen Ungestüm, mit dem nun ihre Tränen auf den Tisch flossen, brach ihr Schicksal über sie herein. Von Stund an waren beide jenen unheilvollen Kräften auf Gedeih und Verderb ausgeliefert; Tita war bestimmt, ihr absurdes Los auf sich zu nehmen, und dem Tisch, als Auffangbecken für ihre Tränen ein Leben lang ihr Leid mitzutragen.
    Freilich war Tita nicht gewillt, sich zu fügen. Eine Menge Zweifel und Fragen gingen ihr durch den Kopf. So hätte sie zum Beispiel nur allzu gerne gewußt, welcher Schlauberger unter ihren Vorfahren wohl diese Tradition angeregt hatte. Es wäre vielleicht angebracht, jenen Herrn Neunmalklug davon in Kenntnis zu setzen, daß ihm beim Aushecken dieses fast perfekten Plans zur Alterssicherung der Frauen leider ein winziger Irrtum unterlaufen war. Wenn Tita nämlich nicht heiraten und auch keine Kinder haben konnte, wer würde sie dann im Alter betreuen? Welche

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