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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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Lösung war für derartige Fälle vorgesehen? Oder rechnete man womöglich gar nicht erst damit, daß die Töchter, die zur Pflege bei ihren Müttern blieben, deren Tod noch lange überlebten? Und was geschah mit den Frauen, die heirateten, aber keine Kinder bekamen, wer würde für ihr Wohl sorgen? Im übrigen wäre überhaupt zu fragen, welche Erkenntnisse zu dem Schluß geführt hatten, daß gerade die jüngste Tochter am besten geeignet sei, bei der Mutter auszuharren, und nicht etwa die älteste? Hatte man auch nur ein einziges Mal eine der Betroffenen selbst um ihre Meinung gebeten? War es ihr denn wenigstens gestattet, wenn ihr schon die Heirat verwehrt bleiben sollte, die Liebe zu erfahren? Oder nicht einmal dies?
    Tita wußte sehr wohl, daß alle diese Zweifel unvermeidlich in den großen Katalog offener Fragen wandern würden. In der Familie De la Garza gehorchte man, punktum. Ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, verließ Mama Elena zornig die Küche und redete noch eine Woche lang kein Sterbenswörtchen mehr mit Tita.
    Sie sprachen erst wieder miteinander, als Mama Elena die Kleider begutachtete, die jedes einzelne der Mädchen genäht hatte, und dabei entdeckte, daß Titas Kleid zwar am saubersten gearbeitet war, sie freilich das vorherige Heften versäumt hatte.
    »Meinen Glückwunsch«, sagte sie, »die Nähte sind perfekt, aber du hast sie vorher nicht geheftet, nicht wahr?«
    »Nein«, erwiderte Tita baß erstaunt darüber, daß ihre Mutter ihr Schweigen brach.
    »Dann wirst du es eben wieder auftrennen. Du heftest es erst, nähst es dann erneut zusammen und zeigst mir das Ganze zum Schluß noch einmal vor; denn Müßiggang ist der Amboß, auf dem alle Sünden geschmiedet werden; damit du dir das hinter die Ohren schreibst!«
    »Aber das gilt doch nur, wenn man einen Fehler macht, Sie selbst haben eben noch gesagt, daß meins ...«
    »Wollen wir mit dem Theater wieder von vorne beginnen? Ist es nicht schon genug, daß du es gewagt hast, mit deiner Näharbeit wieder aus der Reihe zu tanzen?«
    »Verzeihung, Mami. Es wird nicht wieder geschehen.«
    Tita gelang es mit diesen Worten, Mama Elenas Zorn etwas zu besänftigen. Voller Berechnung hatte sie den Moment und den Ton gewählt, um »Mami« zu sagen. Mama Elena meinte nämlich, das Wort »Mama« klinge abfällig, und hatte daher ihre Töchter von klein auf dazu angehalten, sie mit »Mami« und natürlich mit »Sie« anzusprechen, wenn sie das Wort an sie richteten. Die einzige, die sich stets hartnäckig weigerte oder zumindest dem Wort nie den richtigen Tonfall verlieh, war Tita, womit sie sich bereits unzählige Ohrfeigen eingehandelt hatte. Doch wie gut war es ihr in diesem Augenblick gelungen! Mama Elena war sogleich besänftigt bei dem Gedanken, nun werde sie es vielleicht noch schaffen, den Widerspruchsgeist ihrer jüngsten Tochter zu brechen. Leider währte diese Hoffnung nur kurz, denn schon am nächsten Tag stand Pedro Musquiz in Begleitung seines Herrn Vaters vor der Haustür mit der Absicht, bei Mama Elena um Titas Hand anzuhalten. Ihr Kommen stiftete im Haus eine beträchtliche Verwirrung. Mit dem Besuch hatte man nicht mehr gerechnet. Noch Tage zuvor hatte Tita Pedro über Nachas Bruder eine Nachricht zukommen lassen mit der Bitte, von seinem Plan Abstand zu nehmen. Jener schwor Stein und Bein, er habe Don Pedro das Papier überbracht, doch jetzt standen sie nun einmal vor der Tür. Mama Elena empfing sie im Wohnzimmer und setzte ihnen mit betonter Höflichkeit auseinander, aus welchen Gründen sie der Heirat nie und nimmer zustimmen könne.
    »Wenn es Ihnen freilich vor allem darum geht, für Pedro eine geeignete Frau zu finden, so kann ich Ihnen wärmstens meine Tochter Rosaura ans Herz legen: Sie ist nur zwei Jahre älter als Tita, ungebunden und wie geschaffen für die Ehe.«
    Als Chencha diese Worte vernahm, wäre ihr um ein Haar das Tablett, das sie hereingebracht hatte, um Don Pascual und seinen Sohn zu bewirten, mitsamt dem Kaffee und den ganzen Keksen direkt über Mama Elena aus der Hand geglitten. Mit einer Entschuldigung verschwand sie hastig wieder in der Küche, wo Tita, Rosaura und Gertrudis sie bereits ungeduldig erwarteten, um bis in jede Einzelheit zu erfahren, was dort drinnen verhandelt wurde. Als sie so Hals über Kopf in die Küche gestürzt kam, ließen alle sogleich ihre Arbeit ruhen, um sich nur ja kein einziges Wort entgehen zu lassen.
    Sie waren dort beisammen, um die gefüllten Weihnachtstortas zu

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