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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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über ihren Köpfen durcheinander flatterten. Der sechste Sinn, der die Tiere auszeichnet, hatte ihnen bedeutet, unverzüglich von der Farm zu flüchten. Die übrigen Tiere folgten sogleich ihrem Beispiel, die Kühe, die Schweine, die Hühner, die Wachteln, die Lämmer und die Pferde.
    Tita war außerstande, irgend etwas zu bemerken. So mächtig spürte sie den Höhepunkt nahen, daß es ihr vor geschlossenen Augen leuchtend hell wurde und sich ein strahlender Tunnel auftat.
    In diesem Augenblick entsann sie sich der Worte, die John eines Tages zu ihr gesprochen hatte: »Wenn aus einer übermächtigen Gemütsbewegung heraus alle Streichhölzer, die wir in unserem Inneren bergen, auf einmal in Flammen stehen, verbreiten sie einen so hellen Glanz, daß er weit über das hinausleuchtet, was wir normalerweise zu sehen vermögen, und dann tut sich vor unseren Augen ein strahlender Tunnel auf, der uns den Weg weist, den wir im Augenblick unserer Geburt vergaßen, und uns dazu aufruft, unseren verlorenen göttlichen Ursprung wiederzufinden. Die Seele drängt es danach, erneut mit dem Ort unserer Herkunft zu verschmelzen und den Körper leblos zurückzulassen« ... Da zügelte Tita ihre Lust.
    Sie war noch nicht bereit zu sterben. Diese explosionsartige Erregung wollte sie noch viele Male erleben. Das war nur der Anfang.
    Sie bemühte sich, ihren heftigen Atem zu normalisieren, als sie plötzlich die lärmenden Flügelschläge des letzten Taubenschwarms beim Aufbruch vernahm. Außer diesem Geräusch hörte sie nur ihrer beider Herzschlag. Es war ein kräftiges Pochen. Sie konnte das Klopfen von Pedros Herz sogar gegen die Haut auf ihrer Brust spüren. Plötzlich hörte dieses Pochen auf. Eine Totenstille breitete sich über den Raum. Sie brauchte nicht lange, um zu begreifen, daß Pedro tot war.
    Mit Pedro erstarb die Aussicht auf ein erneutes Entzünden ihres inneren Feuers, mit ihm verschwanden alle Streichhölzer. Sie wußte, daß die natürliche Wärme, die sie jetzt noch verspürte, nach und nach erlöschen und ihre eigene Substanz aufzehren würde, sobald die Nahrung zu ihrem Erhalt ausbliebe.
    Sicherlich war Pedro in dem Augenblick der Ekstase, als er den erleuchteten Tunnel betrat, gestorben. Nun bedauerte sie, nicht mit ihm gegangen zu sein. Von jetzt an würde es ihr verwehrt bleiben, jemals erneut dieses Licht zu erblicken, denn alle ihre Empfindungen waren ein für allemal erloschen. Einsam würde sie zurückbleiben, ziellos bis in alle Ewigkeit in der Finsternis umherirren, furchtbar einsam. Sie mußte eine Möglichkeit finden, und sei es auch nur auf künstlichem Wege, ein gleichartiges Feuer zu entfachen, das diesen Weg zurück zu ihren Ursprüngen und zu Pedro erleuchten könnte. Zunächst freilich galt es, die eisige Kälte zu bannen, die sie zu lähmen drohte. Schnell erhob sie sich und rannte los, um die riesige Decke zu holen, die sie in der unendlichen Reihe von einsamen und schlaflosen Nächten gehäkelt hatte, und warf sie sich über. Sie bedeckte inzwischen die gesamte Fläche der Farm, die nicht weniger als drei Hektar betrug. Dann nahm sie aus der Schreibtischschublade die Schachtel Pappstreichhölzer, die ihr John geschenkt hatte. Sie brauchte viel Zündstoff in ihrem Inneren. Nach und nach steckte sie sich die gesamten Streichhölzer der Schachtel in den Mund. Beim Kauen der einzelnen Hölzer schloß sie fest die Augen und rief sich mit aller Kraft die ergreifendsten Momente mit Pedro in Erinnerung. Seinen ersten Blick, den sie auffing, das erste Mal, als sich ihre Hände streiften, den ersten Blumenstrauß, den ersten Kuß, die erste Liebkosung, die erste intime Beziehung. Und so erreichte sie, was sie wollte. Als das Streichholz, das sie gerade kaute, mit dem strahlenden Bild, das sie heraufbeschwor, in Kontakt kam, zündete es lichterloh. Allmählich wurde ihre Vision immer heller, bis erneut vor ihren Augen der Tunnel erstrahlte. Dort am Eingang wartete die leuchtende Gestalt Pedros. Tita zögerte keinen Moment. Sie ließ sich ihm entgegentreiben, bis sie beide in einer unendlichen Umarmung verschmolzen, in der sie von neuem den Höhepunkt ihrer Liebe erreichten und gemeinsam zum verlorenen Paradies aufbrachen. Niemals mehr würden sie sich von nun an trennen.
    In diesem Augenblick begannen Pedros und Titas glühende Körper leuchtende Funken zu sprühen. Diese setzten die Decke in Brand, deren Feuer dann auf die ganze Farm übersprang. Zum Glück waren die Tiere noch rechtzeitig ausgezogen und

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