Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
sind höchst nichtige Dinge. Er geht zuweilen vor seinem Körper her, und zuweilen dehnt er sich weit über die Länge desselben hinaus. Diejenigen, welche den Adel lehren, in der Tapferkeit nichts anders als Ehre zu suchen, quasi non sit honestum quod nobilitatum non sit: 6 Was tun sie damit anders, als ihn anweisen, sich niemals anders in Gefahr zu begeben, als wo er gesehen wird, und wohl darauf zu merken, ob auch Zeugen vorhanden, welche die Zeitung von seiner Tapferkeit ausbreiten können; da sich doch tausend Gelegenheiten zu braven Taten ereignen können, ohne daß man sich dadurch merkwürdig mache. Wie viele schöne Taten von Gemeinen werden nicht im Gewühl einer Schlacht begraben? Wer sich aber damit abgibt, andere in einem solchen Treffen zu bemerken, der ist darin eben nicht sehr geschäftig und führt gegen sich selbst das Zeugnis, was er für das Betragen seiner Waffenbrüder aufstellt. Vera et sapiens animi magnitudo, honestum illud, quod maxime natura sequitur, in factis positum, non in gloria, judicat. 7 Aller Ruhm, auf den ich über mein Leben Anspruch mache, ist, daß ich solches ruhig durchlebt habe; ruhig, nicht nach der Meinung des Metrodorus oder des Arcesilaus oder des Aristipp, sondern nach meiner eigenen. Da die Philosophen keinen Pfad zu finden vermocht, der zur Ruhe führt und gut und allgemein wäre, so muß jeder einen besondern für sich suchen. Wem anders als dem Glücke haben Cäsar und Alexander die so unermeßliche Größe ihres Nachruhms zu verdanken? Wie viele Menschen hat es bei den ersten Schritten auf ihrer Laufbahn umgeworfen, von welchen wir nie etwas gehört haben, welche ebensoviel Tapferkeit mit dahin brachten als jene, wenn ihr unglückliches Geschick sie nicht im ersten Beginnen ihrer Unternehmung plötzlich aufgehalten hätte. Durch alle die außerordentlichen Gefahren hindurch erinnere ich mich, nicht gelesen zu haben, daß Cäsar nur ein einziges Mal verwundet worden. Tausend sind getötet worden in mindern Gefährlichkeiten als die mindeste, durch welche er gegangen ist. Eine unendliche Anzahl schöner Handlungen müssen aus Mangel an Zeugen verlorengehen, bevor eine ihrem Täter zunutze kommt. Man ist nicht immer auf der Höhe einer Bresche oder an der Spitze eines Heers vor den Augen des Heerführers wie auf einem Schafott. Man wird zwischen einer Hecke und einem Graben überfallen; man muß sein Heil gegen eine Scheure versuchen, man muß vier Lumpen von Schützen aus einer Hütte vertreiben, man muß sich allein von seinem Haufen absondern und allein einen Streich wagen, nachdem es die eintretende Notwendigkeit befiehlt. Und wenn man genau darauf achtet, so wird man finden, wie mich wenigstens dünkt, daß die Erfahrung ergibt, wie die am wenigsten glänzenden Begebenheiten gerade die gefährlichsten sind und daß in den Kriegen, die zu unsern Zeiten geführt worden, mehr ehrliche Leute bei leichten und unwichtigen Gelegenheiten umgekommen sind und mehr bei Belagerungen und Verteidigungen von elenden Nestern als bei berühmten und ehrenvollen Örtern.
Wer sein Leben für verschleudert hält, wenn er es nicht bei ausgezeichneten Gelegenheiten verliert, der verdunkelt viel mehr sein Leben als er seinen Tod rühmlich macht, indem er manchen gerechten Anlaß, sich zu wagen, vorüberstreifen läßt. Und jeder gerechte Anlaß ist rühmlich genug. Das Gewissen wird jedwedem Trompete genug sein. Unser Ruhm aber ist, daß wir ein gutes Gewissen haben, sagt St. Paulus. Wer nur deswegen ein Biedermann ist, daß die Welt es wissen soll und ihn desto höher schätzen möge, nachdem sie es erfahren; wer nur deswegen richtig handelt, daß seine Tugend zur Wissenschaft der Menschen gelange, der ist nicht der Mann, von dem man viele Dienste ziehen wird.
Credo che 'l resto di quel verno cose
Facesse degne di tenerne conto;
Ma fur sin da quel tempo si nascose,
Che non è colpa mia, s'or non le conto;
Perchè Orlando a far l' opre virtuose,
Più ch' a narrarle poi, sempre era pronto:
Nè mai fu alcun de' suoi fatti espresso,
Se non quando ebbe i testimoni appresso. 8
In den Krieg muß man ziehen aus Pflicht und dafür diejenige Belohnung erwarten, welche keiner schönen Tat entstehen kann, so unbekannt sie auch bleiben mag, selbst auch nicht einmal tugendhaften Gedanken; das ist die Zufriedenheit, welche ein reines Gewissen uns gibt, wenn wir recht tun. Man muß seiner selbst wegen tapfer sein und wegen des Vorzugs, der dabei ist, wenn man bei allen Anfällen des
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