Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
für einen Menschen, der die Schliche kennt, leichter, als den Gefahren auszuweichen und bei einem feigen Herzen den Bramarbas zu spielen? Es gibt so viele Mittel, den Gelegenheiten auszuweichen, bei welchen man seine eigene Person wagen müßte, daß man die Welt tausendmal betrogen haben kann, bevor man sich nur in ein Wagestück eingelassen hat, und selbst dann, wenn man darin verflochten ist, weiß man für dieses Mal auch sein Spiel mit guter Miene und mit unerschrockenen Worten zu verdecken, obgleich die ganze Seele in uns zittert. Und viele würden, wenn sie den platonischen Ring besäßen, welcher denjenigen unsichtbar machte, der ihn am Finger trug und den Stein nach der Innenseite der Hand drehte, sich oft genug da verbergen, wo sie sich am meisten stellen sollten, und würden es sehr bereuen, sich an solche Ehrenposten gestellt zu sehen, wo die Not sie herzhaft machte.
Falsus honor juvat, et mendax infamia terret
Quem, nisi mendosum et mendacem? 17
Hieraus sieht man, wie alle die Urteile, die sich auf einen äußern Schein gründen, im höchsten Grade ungewiß und zweifelhaft sind, und wie kein Zeugnis so sicher ist, als was sich ein jeder selbst geben muß. Und wie viele Troßbuben haben wir nicht zu Genossen unseres Ruhms? Derjenige, der sich in einer offenen Tranchee festhält, was tut er damit, das nicht vor ihm fünfzig arme Schanzgräber tun, die ihm den Weg öffnen und für fünf Dreier täglichen Sold mit ihrem Körper decken.
Non, quidquid turbida Roma
Elevet, accedas; examenque improbum in illa
Castiges trutina: nec te quaesiveris extra. 18
Wir nennen es Vergrößerung unseres Namens, wenn wir ihn in vieler Mund bringen; wir wünschen, daß er mit Ehrerbietung ausgesprochen werde und daß diese seine Erhebung ihm nützlich werden möge. Nun, das mag denn das schlimmste bei der Sache noch nicht sein, aber das Übermaß dieser Krankheit geht so weit, daß manche suchen, von sich sprechen zu lassen, in welchem Sinne es auch sei. Trogus Pompejus sagt vom Herostratus und Titus Livius vom Manlius Capitolinus, daß sie begieriger nach einem großen als nach einem guten Namen gewesen. Dies Gebrechen ist gewöhnlich. Wir geben uns mehr Mühe darum, daß man, als wie man von uns spreche, und es genügt uns schon, daß unser Name durch der Leute Mäuler laufe, wie auch der Lauf beschaffen sein möge. Es scheint, man gebe schon gewissermaßen sein Leben und dessen Dauer in die Verwahrung der Menschen, denen man bekannt geworden. Ich meinesteils halte dafür, daß ich nur bei mir daheim bin, und von meinem andern Leben, das in der Bekanntschaft meiner Freunde besteht, wenn ich solches ohne Schleier und bloß an und für sich selbst betrachte, so fühle ich, daß ich davon keinen andern Nutzen oder Genuß ziehe als durch die Eitelkeit einer phantastischen Meinung. Und wenn ich tot bin, werde ich noch weit weniger davon empfinden und also den Gebrauch der wirklichen Nutzbarkeiten, die zuweilen zufälligerweise daraus entstehen, ganz rein verlieren. Ich werde keinen Berührungspunkt mehr finden, woran ich den Ruhm fassen, noch der Ruhm, woran er mich fassen, noch zu mir gelangen könne. Denn mir zu versprechen, daß mein Name ihn erlangen werde, so habe ich erstlich keinen Namen, der so ganz ausschließlich der meinige wäre; von den beiden, die ich habe, ist der erste meinem ganzen Geschlecht gemein, ja sogar noch einigen andern: es gibt eine Familie in Paris und eine in Montpellier, welche den Zunamen Montaigne führen, eine andere in Bretagne und Saintonge, die sich de la Montaigne nennt. Die Versetzung einer einzigen Silbe kann unsere Wappenschilder so vermischen, daß ich teil an ihrem Ruhm und sie vielleicht an meiner Schande nehmen, und wenn die Meinigen ehedem noch den Zunamen Eyquem geführt haben, so ist das ein Name, den noch eine bekannte Familie in England führt. Was meinen zweiten Namen betrifft, so gehört er jedem zu, der Lust hat, ihn zu nehmen. Also ehre ich vielleicht einen Karrenschieber an meiner Stelle. Und endlich, wenn ich auch ein besonderes Merkzeichen für mich allein hätte, was kann es dann bezeichnen, wenn ich nicht mehr bin; kann es die Nichtigkeit bezeichnen und begünstigen?
Nunc levior cippus non imprimit ossa
Laudat posteritas; nunc non e manibus illis,
Nunc non e tumulo fortunataque favilla,
Nascuntur violae? 19
Doch hierüber habe ich schon anderwärts gesprochen. Im übrigen, wenn in einer Schlacht zehntausend Mann zu Krüppeln oder
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