Essays: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
sich erhalten haben, läßt mich den Verdacht fassen, daß sie sich dadurch geschadet haben, daß sie bewacht waren. Das gibt die Lust und den Vorwand, sie anzugreifen. Alles Bewachen gibt einen Anschein vom Kriege: der mag auch mich überfallen, wenn Gott es will; so viel ist aber gewiß, daß ich ihn nicht herbeirufen werde. Durch meine Ruhe hoffe ich, vor dem Kriege sicher zu sein. Ich tue, was ich kann, um diesen Winkel vom öffentlichen Sturme zu entfernen, wie ich es mit einem andern Winkel in meiner Seele mache. Mag doch unser Krieg die Gestalt verwandeln, sich vermehren und in verschiedene Parteien verändern, ich meinesteils wanke nicht aus der Stelle. Unter so vielen Landsitzen, die sich bewaffnet haben, bin ich, soviel ich weiß, der einzige meines Standes, der sich, in Ansehung des Meinigen, einzig und allein auf den Schutz des Himmels verlassen hat. Ich habe nicht einmal weder mein Silberzeug noch meine Familienpapiere oder Tapeten in Sicherheit bringen lassen. Ich will mich weder halb fürchten noch halb mich retten. Wenn ein völliges Vertrauen den Schutz des Himmels erwirbt, so wird er mir bis ans Ende angedeihen, wo nicht, so bin ich lange genug dagewesen, um mein Dasein merk-und denkwürdig zu machen. Wieso? Nun, seit dreißig Jahren her.
Fußnoten
1 Seneca, Epist. 98: Gleich unangenehm ist es, eine Sache verloren haben und sie zu verlieren fürchten.
2 Ovid, Amor. II, 19, 27: Hätte Danaen nicht die eherne Warte umschlossen, Danae wäre traun Mutter vom Jupiter nicht.
3 Seneca, De benef. VII, 9: Je gefährlicher eine Sache ist, je mehr sie uns fliehen heißt, desto größer ist das Vergnügen, ihr nachzujagen.
4 Martial IV, 37: Galla, verweigre; die Liebe wird satt bei leichtem Genusse.
5 Horaz, Epod. XI, 9: Hinsterben, schweigen, tiefatmend aus dem Busen seufzen.
6 Lucrez IV, 1076: Was sie umarmen, das pressen sie heftig, tun wehe den Gliedern, mit den Lippen klappen die Zähn aufeinander; ein sondres Gelüste spornt sie, das selbst zu verletzen, was ihrem Gewüte den Stoff gibt.
7 Horaz, Sat. I, 2, 108: Er läuft vorbei vor dem, was vor ihm liegt, und jagt dem nach, was vor ihm flieht.
8 Ovid, Amor. II, 19, 47: Wenn du nicht die Geliebte verschließest, ja, dann hört sie auf, meine Geliebte zu sein.
9 Terenz, Phorm. I, III, 9: Dich macht der Überfluß und mich der Mangel mürrisch.
10 Ovid, Amor. II, 19, 33 und Properz II, 14, 19: Die Schöne, die recht lang Thron und Gewalt behaupten will, sei öfters stolz und kalt! Du, der du liebst, sei oft gleichgültig! Glaube mir, die gestern spröde war, kommt morgen selbst zu dir!
11 Vergil, Eclog. III, 65: Flieht hinter die Weiden und wünscht gesehen zu werden.
12 Properz II, 15, 6: Manchmal hält sie das Halstuch fest und mehrt die Lust dadurch, daß sie sich bitten läßt.
13 Ovid, Amor. II, 19, 3: Was uns erlaubt ist, das verschmähen wir, nach dem Verbotnen steht Sinn, Trachten und Begier.
14 Rutilius, Itin. I, 397: Die vertriebene Pest verbreitet nur weiter umher sich.
15 Seneca, Epist. 68: Der Stehler geht dem versiegelten Koffer nach, der Leiterdieb dem offnen Fenster vorüber.
Über Lob, Preis und Ruhm.
Der Name ist nicht einerlei mit der Sache. Der Name ist artikulierter Schall, welcher die Sache bezeichnet und andeutet; der Name ist kein Teil der Sache oder ihres Wesens; es ist ein fremdes Teilchen, das der Sache beigefügt wird und außer ihr besteht. Gott, der einzig und allein in seiner eigenen Fülle besteht und die Fülle aller Vollkommenheit ist, kann in sich selbst weder wachsen noch sich vergrößern. Sein Name aber kann wachsen und zunehmen durch das Lob und den Preis, den wir ihm über seine geoffenbarten Werke beilegen: welche Lobpreisung wir ihm um so weniger einkörpern können, weil bei ihm kein Zuwachs am Guten möglich ist. Wir richten solche also an seinen Namen, welcher etwas außer ihm, aber ihm am nächsten ist. Dies ist die Art und Weise, wie Gott allein alles Lob und alle Ehre gebührt. Und nichts ist so fern von aller Vernunft, als das geringste davon für uns selbst zu begehren. Denn, da wir arm und inwendig nackt sind, da unser Wesen unvollkommen und unaufhörlich der Verbesserung bedürftig ist, so ist es dies, worauf unser Fleiß und unsere Beschäftigung gehen muß; wir sind alle leer und hohl, und also sollten wir uns nicht mit Wind und Schall anfüllen, wir bedürfen reeller Substanzen, um unsere Kräfte zu erneuern; ein hungriger
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