Ethan von Athos
Ethan seufzte.
Cee betrachtete nachdenklich seine Hände und hob dann den Blick zu Ethan. »Und wird man dich am Ende als Held oder als Verräter betrachten?«
Ethan blickte sich im Shuttle um. Seine wertvolle Fracht, neun große weiße Kühlcontainer, hatte man nicht den Risiken des Frachtraumes überantwortet, sondern an den Sitzen um ihre Plätze herum festgebunden. Die einzigen anderen Passagiere, der Zensusstatistiker, sein Assistent und drei Mitglieder der Mannschaft des galaktischen Zensuskuriers, die zu einem Urlaub auf dem Planeten unterwegs waren, hockten am anderen Ende des Raums zusammen, außer Hörweite.
»Ich wünschte, ich wüsste es«, sagte Ethan. »Ich bete jeden Tag darum. Seit ich ein Kind war, habe ich nicht mehr auf meinen Knien gebetet, aber diesmal tue ich es. Ich weiß nicht, ob es hilft.«
»Du änderst nicht im letzten Augenblick deine Meinung und tauschst wieder alles um? Die letzte Minute nähert sich schnell.«
So schnell wie der Boden unter ihnen. Sie sanken jetzt durch die Wolkenschicht, weißer Nebel setzte sich in Perlen auf dem Fenster fest und stob wieder im Flugwind davon. Ethan dachte an die andere Fracht, die er in seinem Privatgepäck verborgen hatte, komprimiert und versteckt: die 450 Eierstockkulturen, die er auf Kolonie Beta erworben hatte, um bei jeder zukünftigen Untersuchung seiner Aktivitäten die Cetagandaner – und tatsächlich auch den Bevölkerungsrat selbst – zu überzeugen, dass die ursprünglichen Bharaputra-Kulturen nicht mehr gefunden worden waren. Cee hatte ihm geholfen, den Umtausch durchzuführen, hatte Stunden um Stunden mit ihm im Frachtraum des Zensuskuriers verbracht, um Etiketten auszuwechseln und Unterlagen zu frisieren. Oder vielleicht hatte Ethan Cee geholfen. Sie steckten jetzt beide drin, bis zum Hals und noch tiefer.
Ethan schüttelte den Kopf. »Das war eine Entscheidung, die jemand zu fällen hatte. Wenn nicht ich, dann der Bevölkerungsrat. Es gibt auf lange Sicht nur zwei Alternativen, die nicht einen Rassenkrieg oder Völkermord riskieren: alles oder nichts. Ich bin überzeugt, dass du mit deiner Einschätzung der Lage recht hattest. Und das Komitee – nun, ich fürchte, das wäre von seinem Wesen her zu nichts anderem fähig als zu einem gespaltenen Beschluss. Du hast mit deiner Wahrnehmung recht gehabt – wie immer –, unsere Zukunft lässt mich zittern. Aber selbst in Furcht und Zittern bin ich bereit, es zu versuchen. Es sollte eigentlich – interessant werden.«
Falls Ethan einen Anfall von Schuldgefühl spürte, dann lag es an der 451. Kultur, EQ-1, deren Behälter er sorgsam auf dem Schoß festhielt. Wenn er seinen Plan nicht vollenden konnte, dann würden von allen Söhnen, die auf Athos in der nächsten Generation geboren wurden, nur seine eigenen nicht die verborgenen Erbfaktoren in sich tragen, diese rezessive Telepathie-Zeitbombe. Aber seine Enkel würden sie erhalten, beruhigte er sein Gewissen. Auf lange Sicht würde sich alles ausgleichen. Wenn er doch lang genug lebte, um das zu sehen, wenn er doch lang genug lebte, um das in die Wege zu leiten.
»Aber du hast dir die Chance bewahrt, deine Meinung zu ändern«, stellte Cee fest. Ein Ruck seines Kinns in Richtung auf den Frachtraum, wo Ethans Gepäck sich befand, deutete auf den Grund seines Unbehagens hin.
»Ich fürchte, ich bin hoffnungslos sparsam«, entschuldigte sich Ethan. »Ich hätte Haushälter werden sollen, meine ich manchmal. Die betanischen Kulturen waren einfach zu gut, um sie ins Vakuum zu werfen. Aber wenn ich meine alte Stellung wieder bekomme oder, noch besser, Leiter eines Reproduktionszentrums werde, dann gibt es vielleicht eine Chance – ich würde gern versuchen, den Telepathie-Komplex in die Gene der echten betanischen Kulturen einzufügen und sie in den Genpool von Athos stecken, wenn ich das im geheimen tun kann. Auch diese hier, sobald ich Erfahrung mit dem Vorgang habe.« Er hob EQ-1 aus seinem Schoß und legte sie vorsichtig wieder hin. »Ich habe Kommandantin Quinn hundert Söhne versprochen. Und als Chef eines Reproduktionszentrums hätte ich einen Sitz im Bevölkerungsrat. Vielleicht sogar eines Tages eine Chance auf den Vorsitz.«
Trotz der strengen Geheimhaltung, die Ethans Mission umgab, erwartete sie eine kleine Menschenmenge in der Landebucht des Shuttlehafens von Athos. Die meisten, so stellte sich heraus, waren Repräsentanten der neun Distriktreproduktionszentren, die alle scharf darauf waren, ihre neuen Kulturen
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