Eulenspiegel
Front führte die Landstraße vorbei, keine Gebäude gegenüber. Es ließ sich hervorragend abriegeln.
»Die Frage ist nur«, meinte Heinrichs skeptisch, »ob wir das so kurzfristig buchen können.«
Toppe griff zum Telefon. Die Nummer des Vorsitzenden vom Heimatverein kannte er inzwischen auswendig.
Der Mann würde sich darum kümmern; er hatte beste Beziehungen zur Euregio.
»Wir müssen dafür sorgen, daß die Zahl der Anwesenden bei der Veranstaltung so klein wie möglich ist«, sagte Toppe, als er aufgelegt hatte. »Wir dürfen einfach niemanden unnötig gefährden.«
Van Appeldorn sah ihn mitleidig an. »Träum weiter! Wie willst du das denn bewerkstelligen bei dem Presserummel?«
Bevor Toppe antworten konnte, meldete sich Karin Hetzel zu Wort: »Das ist doch ziemlich simpel. Ich gebe in der Zeitung bekannt, daß es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelt. Nach Moyland dürfte das keinen mehr wundern.«
Walter Heinrichs hatte heute die Gästelisten aller Ereignisse überprüft: Nur sechs Personen waren überall dabei gewesen, unter ihnen der Bürgermeister und der Stadtdirektor. »Der Ministerpräsident kommt wohl nicht in Frage«, feixte Heinrichs. »Der wäre in Bimmen bestimmt aufgefallen.«
Toppe holte den Topf mit dem Chili aus der Küche und stellte ihn mitten auf den Tisch, Astrid reichte Teller und Gabeln herum, Ackermann öffnete Bierflaschen. Heinrichs nahm die große Kelle und verteilte den Eintopf. Van Appeldorn ließ sich eine doppelte Portion geben.
Nach dem zweiten Bissen nahm Astrid den Faden wieder auf. »Wir halten die Veranstaltung also so klein wie möglich. Am liebsten nur die Leute vom Heimatverein und wir.«
»Entschuldige«, van Appeldorn hob seine Gabel, »aber das ist Schwachsinn. Selbstverständlich müssen der Bürgermeister, der Stadtdirektor und die anderen Megapromis eingeladen werden. Schließlich gehen wir davon aus, daß einer von denen Eulenspiegel sein könnte.«
Toppe behielt seine Gedanken lieber für sich: Wenn Eulenspiegel an dem Abend tatsächlich zuschlug und sie nicht rechtzeitig am rechten Ort waren, verlor er seinen Job samt Pensionsberechtigung, das war sowieso klar. Wenn aber einer von der Klever Prominenz dabei zu Schaden kam, wanderte er erst mal unverzüglich in den Knast.
Karin Hetzel leckte sich die Lippen. »Mm, das war köstlich. Falls du mal keine Lust mehr hast, Polizist zu sein, Helmut, kannst du jederzeit als Koch arbeiten. So, und jetzt muß ich mich sputen. Wenn das mit der geschlossenen Gesellschaft morgen noch erscheinen soll, muß ich es sofort in die Schlußredaktion geben. Und ihr solltet dafür sorgen, daß die Einladungen an die Offiziellen morgen rausgehen. Ist sowieso schon ungewöhnlich spät.«
Am Freitag wachte Toppe schon um halb sechs auf. Sein Zimmer war immer noch verraucht, obwohl er die ganze Nacht das Fenster weit offen gelassen hatte.
Bestimmt war die Zeitung schon da.
Leise ging er durch die Halle und öffnete behutsam die Haustür. Die Niederrhein Post lag wie jeden Morgen auf der Fußmatte, aber heute hatte sie jemand mit einem Strauß gelber Rosen dekoriert.
Die Karte, die zwischen den Blütenköpfen steckte, war kitschig bunt. Er lebe hoch! stand da in großen Lettern. Toppe klappte sie auf: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Erfolg. Jetzt fehlt nur noch Eulenspiegel. Ihre russischen Freunde.
Unwillkürlich sah Toppe sich um. Woher wußten die, daß er bei Bäckers und Tripps Verhaftung dabei gewesen war? Woher wußten die – wer auch immer »die« sein mochten –, daß er die entscheidende Idee gehabt hatte?
Sein Blick blieb an seinem offenen Fenster hängen, und ihm wurde ein bißchen mulmig.
Karins Artikel stand gleich auf der ersten Seite des Lokalteils. Um ein großformatiges Foto von Postma-Baldwin gruppierte sich der Text. Es ging um die erstaunliche Großzügigkeit des Holländers und um den Dank, zu dem man verpflichtet sei, denn ohne seine Finanzspritze wäre die Wiedereröffnung der Bahnstrecke niemals in Frage gekommen. Am Ende war noch einmal die Medaillenverleihung erwähnt, und es wurde mit einem ironischen Unterton darauf hingewiesen, daß es sich um eine geschlossene Gesellschaft mit handverlesenen Gästen handeln würde.
Am frühen Nachmittag meldete sich der Vorsitzende des Heimatvereins: Er hatte Haus Schmithausen für nächsten Donnerstag gebucht. Die Veranstaltung würde um 19 Uhr beginnen. Den Schlüssel zum Haus hatte man ihm schon ausgehändigt. Die Einladungen an die Gäste,
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