Eulenspiegel
Tag, Herr Toppe«, sprach Baldwin reserviert und hob dabei das Kinn. »Wir können Duits miteinander praten. Ick bin noch lange nit perfekt, aber es kommt wohl.«
Toppe nickte und drückte noch einmal Baldwins Hand. Der Akzent hätte jeden Linguisten in die Knie gezwungen: Baldwins Deutsch war niederländisch gefärbt, gleichzeitig hatte sein Holländisch einen deutlich englischen Einschlag. Diese Mischung, gepaart mit seiner britischen Butlerhaltung – sorry Sir, aber ich sehe nur aus wie ein Lakai – war rührend liebenswert. Jetzt wußte Toppe, was Lowenstijn gemeint hatte, als er sagte, Daniel sei die ideale Besetzung. Hinter allem Glattgebügelten ahnte man den stolzen britischen Arbeiter, kraftstrotzend, schon wegen der Schultern und der Hände, und alles zusammen ergab etwas Halbseidenes, unterschwellig Gefährliches.
Genau diese Rolle hatten Toppe und Lowenstijn Postma ins Drehbuch geschrieben. Der Holländer hatte sich köstlich darüber amüsiert, und Toppe wollte überhaupt nicht wissen, wie nah sie an die Wirklichkeit herangekommen waren, es reichte ihm, wenn Lowenstijn das wußte. Postma bestand allerdings darauf, daß dieses Bild, wenn die Geschichte vorüber war, ausführlich in der internationalen Presse richtiggestellt wurde. »Kostenlose Werbung für meine Park, Sie verstehen, Commissaris?« Lowenstijn hatte den Pakt ohne Zögern per Handschlag besiegelt.
Toppe war ganz froh, daß er Daniel den Beifahrersitz überlassen hatte, denn Karin Hetzel fuhr, wenn man es nett ausdrücken wollte, ein wenig abenteuerlich. Dabei war die Landschaft, durch die sie kamen, gerade jetzt im späten Frühling ausgesprochen lieblich. In Wyler überquerten sie die Grenze. Das Dorf lag auf dem Kamm einer Endmoräne, rechts zogen sich talwärts weite Wiesen, Gehölze und Felder; Felder, auf denen im letzten Krieg die letzten Schlachten geschlagen worden waren. Gleich hinter der Grenze, wo die Moräne steil abfiel, begann ein uralter Buchenwald, glatte, fast schwarze Stämme mit zartem Mailaub. Das Sonnenlicht machte einen Zauberwald daraus. Nach ein paar Kilometern kamen sie zum Tivoli-Park mit seinem Entree aus den fünfziger oder sechziger Jahren. Es paßte genauso wenig in den Zauberwald wie das aufgemotzte Pannekoekenhuis schräg gegenüber.
Weder Toppe noch Karin Hetzel hatten Lust auf einen Vergnügungsparkbesuch. Fotos von Daniel Baldwin vor dem Eingangsschild und neben dem Kassenhäuschen reichten völlig. Daniel befolgte ernsthaft und konzentriert Karins Anweisungen, wechselte ein paar holländische Floskeln mit der Kassiererin, stieg wieder ins Auto und schwieg sich aus. Erst als sie auf Toppes Hof ankamen, gestattete er sich ein paar Sätze: »Ick hoffe, now ist alles gut. Ick denke, wir werden …«, und plötzlich lächelte er und faßte Toppes Hand, »… entlang gehen sehr gut zusammen.«
Das dachte Toppe auch.
Vor acht Uhr würden die glorreichen Sieben nicht zusammentreffen. Er hatte also reichlich Zeit, endlich die versäumten Einkäufe nachzuholen und dann etwas für alle zu kochen. Gabi war richtig sauer gewesen, daß sie heute kein anständiges Frühstück bekommen hatte. Schon früher hatte sie sich immer aufgeregt, wenn er über seiner Arbeit alles andere vergaß.
Was konnte er kochen für so viele Leute? Eine Rindfleischsuppe? Nein, ein Chili wäre gut.
Er komplettierte seine Einkaufsliste und machte sich auf den Weg.
Wie gestern saßen sie um den improvisierten Schreibtisch herum und überlegten, diesmal alle sieben.
»Wo?« fragte Toppe in die Runde. »Wir müssen schnellstens den Ort festlegen, an dem die Sache steigen soll.«
Lowenstijn zog das Jackett aus und knöpfte langsam seine Weste auf. »Vorzugsweise ein Gebäude, das sich gut präparieren läßt. Vor allem aber sollte es sich gut abriegeln lassen, falls der Kerl uns – wider Erwarten – durch die Lappen geht. Also am besten keines, das mitten in der Stadt liegt.«
Toppe nickte. »Der Vereinsvorsitzende hatte das Kurhauscafe oder den Ratssaal vorgeschlagen. Beides habe ich abgelehnt. Ich hoffe, das war in eurem Sinne.«
»Wie wär’s mit Schmithausen?« schlug van Appeldorn vor.
Haus Schmithausen am alten Deich in Kellen, die ehemalige Zollstelle der Klever Herzöge, war ein Kleinod, in dem heute die Euregio ihren Sitz hatte, das aber auch für alle möglichen kulturellen Ereignisse genutzt wurde.
»Sehr gut«, sagte Toppe. Das Gebäude lag günstig, in drei Himmelsrichtungen eingerahmt von feuchten Wiesen, an der
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