Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
berücksichtigen.
Die EU profitiert schon heute vom erheblich gestiegenen Handel mit den mittel- und osteuropäischen Staaten. Bereits vor der Erweiterung war der Export Westeuropas nach Osteuropa größer als der nach den USA. Die EU fördert die Dynamik dieser Handelsbeziehungen, da die Angleichung der rechtlichen Normen und Verwaltungsvorschriften, der Infrastruktur und die höhere Sicherheit für ausländische Investoren das wirtschaftliche Wachstum in den neu aufgenommenen Staaten beschleunigt und somit auch die Exportaussichten der westeuropäischen Unternehmen
verbessert hat. Mit ihren Wachstums-, Wohlfahrts- und Strukturwirkungen verhilft die Osterweiterung der EU zu einer höheren globalen Wettbewerbsfähigkeit. Im globalen Wettbewerb braucht die EU die neuen und dynamischen Märkte Mittel- und Osteuropas, um ihre eigene Wirtschaftsdynamik zu entfalten. Die Erweiterung der EU stellt für Gesamteuropa auch eine angemessene, wenngleich keine ausreichende Antwort auf neue Sicherheitsrisiken dar – eine Antwort, die über die NATO-Mitgliedschaft hinausgeht, die alle zehn mittel- und osteuropäischen Kandidaten schon vor ihrem Beitritt zur EU erhalten hatten.
Doch die erweiterte EU ist nicht auf 25 Mitgliedstaaten begrenzt, sondern bereits auf ein größeres Europa ausgerichtet, dessen Konturen immer deutlicher sichtbar werden, und für das die bisherigen Verträge kein in sich geschlossenes und ausgewogenes Verfassungssystem bieten. Nizza ist zum Symbol für in Kompromissformeln verhaftete Millimeterschritte der Integration geworden. Im Verfassungskonvent ist deshalb der Bestand der Integration grundlegend überprüft worden, mit dem Ziel, die Transparenz, Legitimation und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu verbessern. Wichtige Prinzipien des gemeinsamen und arbeitsteiligen Handelns wurden im Konventsentwurf systematisch verankert. Das Mehrheitsprinzip soll die Konzertierung europäischer Politik auf die Stufe des Regierens bringen und das System der Mitentscheidung des Parlamentes das Demokratieprinzip stärken. Durch die Systematisierung der Zuständigkeiten soll das Subsidiaritätsprinzip der Arbeitsteilung zwischen europäischer und einzelstaatlicher Ebene unterfüttert werden. Folgende Kernelemente werden nach In-Kraft-Treten der Verfassung das Gesicht Europas prägen:
Profilierung: Die Verfassung sieht eine einheitliche Rechtspersönlichkeit für die EU vor, schafft eine nachvollziehbare Kompetenzordnung und verankert die Grundrechtscharta als rechtsverbindlichen Wertekanon. Damit werden die Rechte und Pflichten der Unionsbürger wie die Schranken des Handelns der EU und der Mitgliedstaaten nachvollziehbar festgeschrieben.
Personalisierung: Künftig wird der Präsident des Europäischen Rates zusammen mit dem Kommissionspräsidenten und unterstützt durch den neuen EU-Außenminister für die Festlegung und die Umsetzung der Unionspolitiken verantwortlich sein. Durch diese neue Führungsstruktur wird die Kontinuität, Sichtbarkeit und Kohärenz europäischer Politik gestärkt.
Parlamentarisierung: Durch die gestärkten Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und aufgrund seiner umfassenden Haushaltsbefugnisse wird die EU künftig über ein Zwei-Kammer-System verfügen, das dem Grundmuster vieler europäischer Verfassungsordnungen entspricht.
Politisierung: Durch eine gestärkte Rolle der politischen Parteien im Europaparlament bei der Wahl des Kommissionspräsidenten wird das Oppositionsprinzip als Lebensnerv politischer Debatten und als Garant einer breiten Medienresonanz ausgebaut. Darüber hinaus kann das Ringen um vernünftige und mehrheitsfähige Politik durch die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat an Bedeutung gewinnen.
Positionierung: Das Mandat der EU für eine aktive internationale Gestaltungsrolle wird mit den Bestimmungen der Verfassung zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik unterstrichen. Strukturen tieferer Integration für eine Reihe von Staaten könnten innerhalb der Union den Raum für die Bündelung der Ressourcen und Ambitionen der Europäer öffnen und die außenpolitische Positionsbestimmung der Union vorantreiben. Europa muss daran festhalten, die Entwicklung von fünfzig Jahren Integration in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in einem Grundlagendokument zusammenzuführen, das die Verfassungsordnungen der europäischen Staatenwelt nicht ersetzt, sondern an die Bedingungen der Gegenwart
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