Europa-Handbuch - Europa-Handbuch
ausländische Investitionen und eine Kreditaufnahme seitens Albaniens, eine Politik, von der die Partei der Arbeit Albaniens (PPSH) bis 1991 nicht abrückte.
Die Bewegung, die den Kommunismus schließlich zum Zusammenbruch brachte, ging von den Studenten in Tirana und Vlora aus. Ihnen schlossen sich Intellektuelle, so auch der spätere erste postkommunistische Präsident Sali Berisha an, der zum Vorsitzenden der bereits im Dezember 1990 gegründeten Demokratischen Partei avancierte. Die Studentenbewegung hatte im Dezember mit Massenprotesten erreicht, dass Alia der Abhaltung von Mehrparteienwahlen zustimmte. Dies hatte die Zulassung von Parteien ermöglicht. Bei den Protesten wurde die überlebensgroße Statue von Enver Hoxha im Zentrum Tiranas gestürzt und eine erste Fluchtwelle in die Botschaften in Tirana führte dazu, dass die Regierung das Ausreiseverbot aufhob. Mehrere Studenten wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei in Shkodra erschossen.
Bei den ersten Mehrparteienwahlen des Jahres 1991 hatte die PPSH vor allem mit ländlichen Wählerstimmen die Parlamentsmehrheit auf sich vereinigen können, war jedoch unfähig, mit der nach dem Zusammenbruch des Kommunismus entstandenen Armut und einer akuten Hungersnot umzugehen. Proteste und eine Massenflucht von über 70 000 Albanern nach Italien zwangen die Regierung zum Rücktritt. Die darauf folgende Koalitionsregierung zerbrach nach wenigen Monaten. Das Parlament schaffte es allerdings noch, eine Reihe von Verfassungsgesetzen zu erlassen, welche zur Basis des postkommunistischen Staates wurden. Als Wahlsystem wurde ein Direktwahlverfahren nach französischem Muster eingeführt. Letztlich wurde eine Expertenregierung beauftragt, Neuwahlen zu organisieren, welche die PD, die aus der antikommunistischen Studentenbewegung hervorgegangen war, im Mai 1992 gewann. Berisha wurde zum Präsidenten gewählt.
Die erste PD-Regierung setzte ein Reformprogramm in Gang, welches wirtschaftsliberal angelegt war, jedoch essenzielle institutionelle Reformen vernachlässigte. Albanien erlebte ein substanzielles Wirtschaftswachstum. Während 1991 das Wachstum des Bruttosozialproduktes noch ein Minus von 28 Prozent und im folgenden Jahr von 7,2 Prozent aufwies, schaffte es die neue Regierung, die Entwicklung umzukehren. 1993 lag das Wachstum bei 9,6 Prozent und sank bis 1996 auf 8,2 Prozent ab. Die Inflation lag 1991 bei 104,1 Prozent und stieg im folgenden Jahr auf 236,6 Prozent an. Nach dem Regierungswechsel sank sie 1993 auf 30,9 Prozent, im folgenden Jahr auf 15,8 Prozent und erreichte 1995 mit 6 Prozent einen Tiefpunkt, bevor sie 1996 wieder auf 17,4 Prozent hochschnellte. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 1992 und 1996 von 27 auf 12,3 Prozent. Trotz der vergleichsweise guten Konjunkturentwicklung erwiesen sich jedoch die staatlichen Strukturen in den kommenden Jahren als unfähig, die dramatischen Transformationsprozesse institutionell und sozial abzufedern.
Vor den Wahlen im Mai 1996 spitzten sich die innenpolitischen Konflikte zwischen der PS und der PD erheblich zu. Die Verhaftung des PS-Vorsitzenden Fatos Nano wegen angeblicher Veruntreuung italienischer Hilfsgelder hatte die politische Konfrontation zusätzlich verstärkt. Die Opposition warf Berisha vor, das Justizsystem für politische Verfolgung zu missbrauchen und staatliche Gewalt gegen oppositionelle und unabhängige Medien einzusetzen. Die PD setzte sich jedoch in den Wahlen gegen die Opposition durch, welche der Regierung Wahlbetrug vorwarf. Die OSZE bestätigte erhebliche Unregelmäßigkeiten während der Wahlen. Dennoch wiederholte die PD ihren Erfolg in den Lokalwahlen im folgenden Oktober, wonach sie die Bürgermeister in den meisten Gemeinden stellte.
Ab 1994 hatten einzelne Unternehmer begonnen, Pyramidenanlagegesellschaften zu gründen, welche ungewöhnlich hohe Zinsen zahlten und vorgaben, dies durch Investitionen zu decken. In der Tat finanzierten diese Gesellschaften die Zinsen jedoch aus den Einlagen neuer Anleger. Ende 1996 brachen sieben derartige Gesellschaften zusammen, was soziale Unruhen auslöste. Die Regierung war trotz früher Warnungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank nicht gegen diese Gesellschaften vorgegangen. Schätzungen besagen, dass mehrere hunderttausend Anleger in diese Gesellschaften investiert hatten, und zwar in einer Höhe, die zwischen 20 und 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von 1996 lag.
Mit den Unruhen rutsche Albanien in den Zustand allgemeiner
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