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Europa nach dem Fall

Titel: Europa nach dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Laqueur
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Qualifizierte. Doch die Auswirkungen einer Rezession, die schlimmer war als alles seit den 1930er-Jahren, waren nicht nur ökonomischer Natur, und jede Diskussion der gegenwärtigen Verfassung Europas und seiner Aussichten, sei sie auch noch so oberflächlich, muss diese Krise als ihren Ausgangspunkt nehmen.
    Es fing 2007 in Island an, auch wenn wenige damals erkannten, dass Abläufe in einem sehr kleinen und offenbar völlig unbedeutenden Land zum Indikator für kommende Entwicklungen werden könnten. Die drei führenden Banken Islands waren zu dem Schluss gekommen, wenn Geld so billig und so leicht zu erhalten war, dann ließe sich eine Menge damit verdienen, wenn sie ihre Aktivitäten ins Ausland ausweiteten, indem sie vor allem Darlehen gewährten. Am Ende war die Gesamtsumme ihrer Aktivposten im Ausland 14-mal größer als das Bruttosozialprodukt Islands. Doch als der globale Darlehensmarkt einbrach, konnten sie ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen und standen vor dem Bankrott. Das hätte sich verhindern lassen, wenn die Banken nicht leichtfertig gewesen wären und es eine Beaufsichtigung und Regulierung gegeben hätte. Als die Regierung in Island erkannte, dass sie die Banken nicht retten konnte, beschloss sie schließlich 2011, diese zusammenbrechen zu lassen und die Schulden den Gläubigern aufzubürden.
    Den Ereignissen in Island folgten der Zusammenbruch von Bear Stearns und Lehman Brothers in den Vereinigten Staaten aus ungefähr den gleichen Gründen, was zu Nervosität auf den internationalen Märkten führte.
    In welchem Ausmaß war Amerika für die nachfolgende europäische Krise verantwortlich? Der Zusammenbruch von Lehman Brothers erfolgte durch die Vergabe von Darlehen für sogenannte Subprime-Immobilien und löste zweifellos Instabilität auf den Weltmärken aus, was auch einige größere europäische Banken in Mitleidenschaft zog. Die US-Kommission zur Untersuchung der Ursachen der Krise kam zu dem Schluss, dass die Finanzkrise hätte vermieden werden können. In der Unternehmensführung und im Risikomanagement war es zu dramatischem Fehlverhalten gekommen, zu einer Kombination von exzessiven Darlehensvergaben und riskanten Investitionen verbunden mit mangelnder Transparenz. Vor allem aber war die Regierung auf die Krise schlecht vorbereitet gewesen.
    Doch was in Amerika passiert war, hätte die Lage in Europa nicht in einem solchen Ausmaß beeinflusst, wenn es nicht so gewesen wäre, dass sich die europäische Wirtschaft als noch schwächer und verletzlicher herausstellte, als gemeinhin angenommen wurde. Die Ausweitung von Krediten hatte ein ungeahntes Ausmaß angenommen. Die Zinsen waren zu niedrig gewesen, was (unter anderem) zu einer Immobilienkrise und schließlich zu einer Bankenkrise führte. In den meisten Ländern hatten sich Schuldenberge aufgetürmt. Es hatte nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Europa »Blasen« gegeben. Zu Anfang wurde der amerikanischen Krise in Europa nicht viel Beachtung geschenkt. »Europa ist nicht Amerika«, verkündete die Frankfurter Allgemeine Zeitung . Andere Medien behaupteten, dass amerikanische Zustände in Europa undenkbar seien. Doch es dauerte nicht lange, bis diese Fakten und die Auswirkungen der Schuldenkrise Europa erschütterten.
    Island schien zunächst ein Einzelfall zu sein. Einige argumentierten jedoch bereits, dass der Unterschied zwischen Island und Irland nur aus einem Buchstaben und sechs Monaten bestand. Nach Island kam die griechische Krise, wobei sich herausstellte, dass das Land sich seit Jahren überschuldet und zu viel ausgegeben hatte. Es gab fast eine Million Beamte, die beträchtliche Gehälter und schon in frühem Alter hohe Pensionen erhielten. Das Renteneintrittsalter lag mit durchschnittlich 53 Jahren niedriger als in den meisten anderen europäischen Ländern, und das Land hatte sich mit anderen sozialen Dienstleistungen schlicht übernommen. Des Weiteren hatte Griechenland die anderen EU-Mitglieder und die zentralen Institutionen nicht wahrheitsgemäß über seine finanzielle Situation in Kenntnis gesetzt. All das war kein Geheimnis, wurde aber aus Gründen, die zweifellos von späteren Historikern im Detail erforscht werden, nicht beachtet.
    Als alle Fakten auf dem Tisch lagen (oder, um genauer zu sein, unmittelbar zu spüren waren), bestand die dringende Notwendigkeit, Griechenland zu retten, denn im Unterlassungsfall hätte dies nicht nur den Bankrott dieses Landes ausgelöst, es hätte auch

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