Eva und die 40 Maenner - Roman
Wochen hatte sie nicht mit Marcel gesprochen. Damals hatte sie ihn aus dem Hotel angerufen und ihm erklärt, dass sie auszöge. Es war ein kurzes, nicht sehr erfreuliches Gespräch gewesen. Danach hatte er noch zwei- oder dreimal versucht, sie zu erreichen, doch sie war nicht rangegangen.
Es klingelte immer noch. Eva zögerte noch einen letzten Moment. Es wurde Zeit, auch das hier zu überwinden, dachte sie fieberhaft. Irgendwann würde sie sowieso mit ihm sprechen müssen. Außerdem konnte ja auch etwas mit Oliver sein.
Sie drückte auf »Annehmen«. Ihre Finger zitterten, ihre Beine setzten sich wie von selbst in Bewegung, irgendwohin, den Gehsteig entlang.
»Eva? Das ist schön, dass du rangehst, ich hab gar nicht wirklich damit gerechnet.«
Seine Stimme war genauso weich und dunkel, wie sie sie in Erinnerung hatte.
»Ja, ich … eigentlich kann ich gar nicht, aber jetzt bin ich nun schon mal dran. Ich muss gleich … aber ich wollte wenigstens hören, ob was Wichtiges ist, ich meine, es kann ja immer was mit Oliver sein oder so.« Sie redete Blödsinn, aber das war auch egal.
»Nein, mit Oliver ist nichts. Er ist in der Schule und … alles in Ordnung.« Kurze Pause. »Es ist schon anders hier ohne dich.«
Was sollte sie dazu sagen? Auch für sie war es anders, sehr sogar.
»Ich wollte eigentlich nur mal wieder deine Stimme hören. Danke, dass du mit mir sprichst.«
»Bitte.« Evas Stimme klang dünn. Das ärgerte sie ein bisschen.
»Kannst du … können wir nicht mal richtig reden? Ich meine, so von Angesicht zu Angesicht? Du bist einfach weggegangen, ohne mir wirklich die Chance zu geben, alles zu erklären. Ohne dass wir in Ruhe reden konnten.«
»Ruhig war ich wirklich nicht, das stimmt. Aber bleib mal ruhig in dieser Situation.«
»Hm, ja, ja klar … Aber jetzt?« Er klang hoffnungsvoll. »Du hörst dich ziemlich beherrscht an, wenn ich das so sagen darf. Gefasst. Das könnte doch vielleicht ein Anfang sein.«
»Ein Anfang wovon?« Eva sah in dem Schaufenster, vor dem sie stehen geblieben war, ihre tief gerunzelte Stirn. »Ich fange hier gerade neu an.«
»Willst du es dir nicht noch mal überlegen? Nach so kurzer Zeit dein ganzes Leben hinwerfen und ein neues anfangen …«
»Du hast angefangen mit hinwerfen.« Es klang kindisch, aber das war Eva egal.
Marcel seufzte. »Ich weiß. Aber ich wollte das nicht! Es ist irgendwie passiert. Und jetzt will ich mein altes Leben wiederhaben, aber du bist nicht mehr da.«
»Ich bin nicht für Polygamie zu haben«, sagte sie spröde. »Im Gegenteil. So was tut mir verdammt weh.«
»Ich weiß. Es tut mir leid, wirklich.«
Eva blinzelte; die Sonne spiegelte sich in der Schaufensterscheibe und stach ihr in die Augen. Blindlings wandte sie sich um, stand nun mit dem Rücken zum Schaufenster, irgendwo am Straßenrand.
»Du hast noch nicht mal gesagt, dass du dich von ihr trennst. Dass du sie sofort wegschickst.« Allmählich regtesich der Zorn in ihr und begann, den Schmerz niederzuringen. »Hast du Schluss mit ihr gemacht? Bist du im Hotel aufgetaucht, um mich zurückzuholen? Bist du mir nach Berlin gefolgt und standest mit einem riesigen Blumenstrauß vor Silkes Tür? Nein, nein, dreimal nein! Nichts davon hast du getan!«
Marcel schien einen Augenblick sprachlos. »Warte, warte, leg nicht auf. Du hast nie gesagt, dass du es dir dann noch einmal überlegen würdest. Du hast gesagt, du gehst, egal was. Aber dass ich nicht mit ihr … nicht auf Dauer, das war doch klar. Für mich wenigstens.« Er zögerte. »Aber ich hab mir geschworen, ab jetzt ehrlich zu sein – vollkommen ehrlich. Und da ist es nun mal so, dass alles nicht ganz so einfach ist. Ich will ja Schluss machen, ganz bestimmt, das ist nicht der Punkt! Aber du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwer das ist. Sie ist beinahe durchgedreht, hat gedroht, sich was anzutun, verstehst du? Also hab ich ein gewisses Problem, bisher ist es nicht …«
Eva ließ das Handy sinken. Ihre Finger drückten wild auf irgendwelche Tasten – Hauptsache weg mit dieser Stimme.
Sie merkte, dass sie zitterte. Er hatte Mitleid mit der anderen Frau, er brachte es nicht über sich, ihr so etwas anzutun. Und was war mit ihr ? Ihr hatte er das antun können, bei ihr war’s wohl nicht so drauf angekommen! Etwas piepte in ihrer Hand. Verständnislos starrte Eva auf das Display.
Dann schmetterte sie ihr Handy mit aller Kraft in den Rinnstein. Doch es zersprang nicht etwa, sondern blieb unversehrt im Dreck liegen
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