Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
durchs Haar. »Du weißt doch nicht mal, wie ein Ozelot aussieht.«
»War es so schrecklich?«, fragte Kate.
Chris nickte. »Ein Kumpel von mir leistet im Leichenschauhaus Sozialstunden, weil er besoffen Auto gefahren ist, und er hat gehört, dass es übel war. Als wäre er in Stücke gerissen worden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Schlägerei so ausgegangen wäre, es sei denn, die Braut, deretwegen sie sich gestritten haben, wäre heiß wie sonst was gewesen. Wenn ein Typ zwischen mich und Angelina Jolie käme, könnte ich auch für nichts garantieren.«
Es gefiel mir nicht, wie sie über Mr Meyer redeten, also versuchte ich, sie und die verstörenden Bilder in meinem Kopf auszublenden. Im Cold Stone herrschte viel Betrieb; mittlerweile
war auch der Unterricht an der nahe gelegenen Grundschule beendet, und es wimmelte nur so von lärmenden, streitenden Kindern. Ich ignorierte sie, so gut es ging, da Jungs aus der fünften Klasse es gern darauf anlegten, Highschool-Mädchen zu ärgern. Ich sondierte das Gelände und nahm ihre Gesichter nur am Rande wahr, bis ich den Jungen entdeckte, den ich am Tag zuvor an der Schule gesehen hatte.
Heute trug er ein schwarzes langärmeliges T-Shirt und dunkle Jeans. Er saß keine zehn Meter entfernt allein an einem Tisch und starrte vor sich hin. Er kam mir so bekannt vor. Ich musste ihn von irgendwoher kennen. Als ich ihn ansah, blitzten kurze Schnappschüsse von seinem Gesicht, seinen Augen und seinem Lächeln in meiner Erinnerung auf. Ein vertrauter Geruch kam mir in die Nase, und ich wusste, dass er zu ihm gehörte, aber ich war nicht nah genug, um mich zu überzeugen. Die Zuneigung, die in meinem Herzen aufstieg, ängstigte und beruhigte mich zugleich. Als er merkte, dass ich ihn anstarrte, erwiderte er meinen Blick und schaute nicht weg. Ich versuchte, auch ihn auszublenden, doch dann wurde mir klar, dass ich nicht alle und jeden um mich herum ignorieren konnte, und wandte mich wieder meinen Freunden zu.
»Morgen ist bestimmt wieder Schule«, sagte Rachel.
Kate leckte einen Sahneklecks vom Löffel. »Schöner Mist.«
»Glaubt ihr, wir müssen den Wirtschaftslehre-Aufsatz von dieser Woche noch zu Ende schreiben?«, fragte Landon.
Chris zuckte die Achseln. »Warum nicht? Wir kriegen sicher einen Vertretungslehrer, bis sie Ersatz gefunden haben.«
Hastig aß ich meinen Eisbecher auf, ohne mich an der Unterhaltung zu beteiligen. Dann stand ich auf und ging zum Mülleimer hinüber, um den leeren Becher wegzuwerfen. Als ich mich umdrehte, wäre ich fast mit einer großen Gestalt zusammengestoßen und zuckte erschrocken zusammen. Als ich aufschaute, stand ich dem Jungen gegenüber, den ich am Tag zuvor gesehen hatte. Er war groß, über eins achtzig, breitschultrig – und er stand viel zu dicht vor mir. Seine Gegenwart schien mich einzuhüllen – es war jedoch kein beklemmendes Gefühl, wie ich es erwartet hätte, sondern ein friedvolles. Ich wich nicht
vor ihm zurück. Seine leuchtend grünen Augen blickten zu mir herab, aber er sagte kein Wort. Um den Halsausschnitt seines Shirts waren seltsame schwarze Linien zu sehen – wahrscheinlich Tattoos. Sein dunkles Haar war vom leichten Septemberwind ein wenig zerzaust.
»Ähm, hallo«, sagte ich gedehnt, um meine Nervosität zu überspielen. »Wolltest du auch zum Mülleimer?« Sobald die Worte aus meinem Mund waren, kam ich mir vor wie ein Idiot.
»Hi«, sagte er und schenkte mir ein Lächeln, das seine feingeschnittenen Gesichtszüge verschönerte, die geschwungenen Lippen, das kleine Grübchen unter seinem linken Auge, das nur zu sehen war, wenn er lächelte – ein Lächeln, bei dem ich das Gefühl hatte, als hätte ich es schon unzählige Male gesehen. »Nein, ich wollte nichts wegwerfen.«
»Okay …« Ich machte Anstalten, zu meinen Freunden zurückzukehren.
»Erinnerst du dich an mich?«, fragte er.
Abgesehen von einem ausgeprägten Déjà-vu-Gefühl war ich mir ziemlich sicher, ihn nicht wirklich zu kennen. »Ich glaube, ich habe dich gestern bei der Schule gesehen.«
»Das ist alles?« Sein Gesicht spiegelte Enttäuschung wider.
Ja, er war wirklich sonderbar. »Ich bin mir ziemlich sicher. Suchst du jemanden?«
»Nein. Du bist doch Elisabeth Monroe, oder?«
»Ja, ich bin Ellie. Gehst du auch auf meine Schule?«
»Nein, leider nicht. Du gibst am Samstag eine Party, stimmt’s?«
Gütiger Himmel, wusste denn die ganze Welt davon? »Ja. Wie hast du davon erfahren, wenn du nicht auf meiner Schule
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