Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Vorderseite seines T-Shirts entstehen lassen. Lucas und ich lösten uns voneinander. Nicht, dass wir uns geschämt hätten, aber niemand konnte eine romantische Stimmung schneller zerstören als Eduardo. »Ich will, dass ihr heute Nacht die erste Wache übernehmt und in der unmittelbaren Umgebung patrouilliert. «
»Du hast mich schon vor zwei Tagen losgeschickt«, protestierte Lucas. »Ich bin noch nicht wieder dran.«
Bei dieser Bemerkung verfinsterte sich Eduardos Gesicht noch mehr. »Seit wann fängst du an zu jammern, wenn du mit der Schicht dran bist, wie ein Kind auf dem Spielplatz, das auf die Schaukel will?«
»Seitdem du aufgehört hast, wenigstens so zu tun, als ob du fair wärst. Lass uns einfach in Ruhe, okay?«
»Oder was? Rennst du dann zu deiner Mami? Kate will Beweise sehen, dass du bei der Sache bist, Lucas. Das wollen wir alle.«
Meinetwegen , meinte er damit. Lucas hatte die Regeln des Schwarzen Kreuzes viele Male gebrochen, damit wir beisammen sein konnten, und zwar viel öfter, als es die anderen in dieser Zelle auch nur ahnten.
Lucas gab nicht nach. »Ich habe seit dem Feuer keine Nacht mehr durchgeschlafen. Ich werde mir da draußen nicht noch mal für nichts und wieder nichts die Zeit um die Ohren schlagen.«
Eduardos dunkle Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Wir könnten jede Sekunde einen Vampirclan am Hals haben…«
»Und wer wäre wohl schuld daran? Nach deiner Stunt-Einlage in der Evernight-Akademie …«
»Stunt-Einlage?«
»Time Out!« Dana war frisch vom Duschen zurück und roch durchdringend nach billiger Seife. Ihre Hände formten ein T zwischen Lucas und Eduardo. Ihre langen Zöpfe fielen über das dünne, nasse Handtuch, das sie sich um den Nacken gelegt hatte. »Beruhigt euch mal wieder, okay? Für den Fall, dass du was durcheinandergebracht hast, Eduardo: Eigentlich ist das heute meine Schicht. Ich bin sowieso nicht allzu müde.«
Eduardo konnte es überhaupt nicht leiden, wenn er überstimmt wurde, aber eine Freiwillige für die Patrouille konnte er schlecht ablehnen. »Wie du willst, Dana.«
»Vielleicht sollte ich Raquel mitnehmen«, schlug Dana vor und lenkte das Gespräch damit geschickt und unbemerkt von Lucas weg. »Die Süße ist heiß darauf, endlich mehr zu tun zu bekommen.«
»Raquel ist noch zu frisch dabei. Vergiss es!« Offensichtlich fühlte sich Eduardo sofort besser, weil er wenigstens in einem Punkt seinen Willen durchsetzen konnte. Er drehte sich schwungvoll um und stapfte davon.
»Danke«, sagte ich zu Dana. »Bist du sicher, dass du nicht zu müde bist?«
Sie grinste. »Hast wohl Angst, ich könnte morgen auch so in den Seilen hängen wie Lucas heute, was? Keine Sorge.«
Lucas tat so, als wollte er ihr einen Hieb gegen den Oberarm verpassen, und mit einem gespielt schmerzverzerrten Grinsen wandte Dana sich von ihm ab. Sie kabbelten sich die ganze Zeit, ohne auch nur ein Wort davon ernst zu meinen. Vermutlich war Dana Lucas’ beste Freundin, dachte ich. Ganz sicher jedenfalls würde nur eine wirkliche Freundin freiwillig eine Schicht übernehmen, bei der – wie Lucas ganz richtig bemerkt hatte – man sich ständig bücken musste, überall Schlamm und Dreck war und man so gut wie keinen Schlaf bekam.
Schon bald machten sich die anderen um uns herum zum Schlafen fertig. Die einzige Privatsphäre, die uns hier blieb, bestand aus der »Wand«, die in Wahrheit nichts anderes war als eine Reihe alter Laken, die über eine Wäscheleine gehängt worden waren. Sie teilten die eine Hälfte des Raums für die Männer ab, die andere für die Frauen. Lucas und ich schliefen beide genau an den Decken; und so waren wir nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und nur durch einen dünnen Baumwollstoff getrennt. Manchmal empfand ich den Gedanken als tröstlich, dass Lucas mir so nahe war; dann wieder war ich so frustriert, dass ich hätte schreien können.
Es ist nicht für immer , rief ich mir ins Gedächtnis, als ich mir das ausgeliehene T-Shirt überzog, in dem ich schlief. Der Pyjama, in dem ich geflohen war, war beim Brand den Flammen zum Opfer gefallen. Von allem, was ich trug, gehörte mir nur der Anhänger aus Obsidian, den mir meine Eltern geschenkt hatten und den ich immer um den Hals trug, selbst wenn ich unter der Dusche stand. Die Anstecknadel aus Jetstein, die ich von Lucas bekommen hatte, als wir anfingen, miteinander auszugehen, hatte ich in der kleinen Tasche versteckt, die mir das Schwarze Kreuz zur Verfügung gestellt
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