Evers, Horst
selbst dann dauert das
reine Programmieren mindestens sieben Minuten. Man verliert also pro Tasse
Kaffee ungefähr zwei Minuten Lebenszeit. Womit sich noch mehr die Frage stellt:
Wer in Gottes Namen macht denn so etwas? Wer ist so bescheuert, seine Kaffeemaschine
von unterwegs zu programmieren? Sinnlos und ohne Not Lebenszeit zu verbrennen?
Wer? Die außerordentlich traurige Antwort auf diese Frage macht das Ganze
allerdings nochmal schlimmer. Denn die außerordentlich traurige Antwort auf
diese Frage ist: Ich. Ich mache so was.
Und warum?
Weil ich es super finde! Dass man so etwas überhaupt machen kann! Dass das
funktioniert, möglich ist! Von unterwegs! Und ich kann das machen! Quasi
Zauberei! Großartig!
Allein die
Vorstellung: Die anderen sitzen harmlos in der Küche, und auf einmal springt
die Kaffeemaschine an. Huaarrrrhhh! Wie die sich erschrecken! Da möchte man
fast noch Kameras installieren. Oder wenn man mit jemand unterwegs ist. Dem
kann man dann davon erzählen: «Weißte, was ich hier mache? Was ich hier mache?
Das errätste nie. Was ich hier mache? Ich programmiere die Kaffeemaschine!
Haha, von unterwegs, haha! So was kann ich. Wirste sehen, wir kommen nach
Hause, und der fertige Kaffee, zack!, begrüßt uns schon, wirste sehen! Oder
riechen! Hahaaa!!!» Tragisch ist nur, dass das dann trotzdem alles sinnlos ist,
wenn man vergessen hat, vor dem Verlassen der Wohnung eine Tasse in die
Maschine zu stellen. Eine bittere Erfahrung. Gerade wenn man mit jemandem
unterwegs war. Denn diese Geschichte hört man von da an vermutlich sein Leben
lang: «Weißte noch, wie wir damals unterwegs waren, und du hast dich die ganze
Zeit so dicke getan mit deinem Programmieren, von unterwegs die Kaffeemaschine
Programmieren! Tätärätätää! Und dann machste die Tür auf und brooaahhh - was
war das ne Sauerei, was? Und das hat gestunken, weißte noch, und dein Gesicht!
Boah, war das super! Wie du geguckt hast. Weißte noch, weißte noch?» Ja, ich
weiß noch. Der Vorfall ist jetzt höchstens sechs Wochen her, aber ich habe die
Geschichte bestimmt schon dreißigmal von Neuem erzählt bekommen. Und jedes Mal
wird die Sauerei größer und der Gestank schlimmer und mein Gesicht noch
bescheuerter.
Das
Reinigen der Maschine hat dann übrigens anderthalb Stunden gedauert, was
nochmal verdeutlicht: Bei allen Vorzügen, Zeit spart dieser Kaffeevollautomat
nun wirklich nicht. Aber das habe ich auch nicht erwartet. Bei all meinen
Geräten, mit denen ich Zeit sparen wollte, habe ich sehr lange gebraucht, bis
ich mit dem Zeitsparen anfangen konnte. Grundsätzlich könnte ich sagen: Diese
ganze Zeitsparerei dauert mir einfach viel zu lange. Zumal beim Kaffeevollautomaten
auch noch eine andere Problematik dazukommt: Seit ich ganz schnell, auf
Knopfdruck quasi, wunderbaren Kaffee machen kann und das auch ständig nutze,
verbringe ich mindestens dreimal so viel Zeit auf der Toilette. Aber dies nur
am Rande.
Zumeist
muss man ja, bevor eine neue Technologie einem ganz viel Zeit im Leben
einspart, eine Art Zeitkredit aufnehmen. Eine gewaltige Summe an Minuszeit,
die man sich dann über Jahre Stück für Stück wieder zusammensparen muss. Bei
einigen Geräten ist man aber auch irgendwann in einer Zeitschuldenfalle
gefangen, aus der man nicht mehr rauskommt, weil man ständig neue Zeitkredite
aufnehmen muss. Drucker oder Router beispielsweise zwingen häufig zur Aufnahme
gewaltiger Zeitkredite. Die mit einigen elektronischen Geräten verknüpften
Zeitsparmodelle erinnern frappierend an die Finanzierungsmodelle amerikanischer
Häuslebauer.
Auch der
Kaffeevollautomat hat natürlich zunächst gar nicht funktioniert. Aber dafür gab
es ja so ein praktisches Soforthilfeprogramm auf der Homepage. Mit dem kann
man selbst ganz einfach, schnell und unkompliziert den Fehler herausfinden und
beheben. So zumindest stand es auf der Homepage. Diese Soforthilfe hat mich
sehr beeindruckt. Es dauerte circa zwanzig Minuten. Zwanzig Minuten, in denen
mich das Programm Sachen fragte. Als Erstes beispielsweise: «Ist das Gerät
eingeschaltet?» Dazu zeigte es mir Bildchen, ein Bild mit Schalter auf «ein»,
ein Bild mit Schalter auf «aus». Dann die Frage: «Wie sieht Ihr Schalter denn
aus?» Die nächste Frage: «Ist der Stecker eingesteckt?» Wieder Bildchen!
Stecker in Steckdose und daneben ein Bild mit leerer Steckdose. «Sieht Ihre
Steckdose wie auf Abbildung aus?» Es folgten weitere Fragen. «Ist
die Stromversorgung sichergestellt?» - «Haben
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