Evies Garten (German Edition)
den Fingerspitzen auf den Rahmen. »Das ist gut möglich«, sagte sie. »Pap hat der Stadtbücherei einen Großteil seiner Schätze vermacht. Sie haben die Sachen in den Gewölbekeller getan, und sie irgendwann vergessen. Vor seinem Tod bat mich Pap, die Sammlung dort zu belassen. Also habe ich das getan.«
»Glauben Sie, wir können sie sehen?«, fragte Evie.
Maggie nickte, doch Vater war nicht so sicher. »Wir brauchen natürlich eine Erklärung, warum wir jetzt plötzlich eine so alte Ausstellung sehen wollen …«, wandte er ein, doch Maggie gluckste nur.
»Ich denke, die Tochter von Joseph Clayton sollte einen Grund finden, die Schätze ihres Vaters zu besichtigen.« Sie sah Evie an. »Wenn man etwas erreichen will, gibt es doch fast immer einen Weg, nicht wahr, Evie?«
Dieses Mal stimmte Evie ihr zu.
Im Gewölbekeller
Draußen war die Erde unter einem Meer von Schneeflocken versunken. Als sie aus dem Haus kamen, staunte Evie, wie hoch der Schnee schon lag. Alle drei mussten sich vorbeugen, um gegen den heftigen Schneesturm anzukämpfen, während sie die Auffahrt hinuntergingen.
Evie war froh, als sie sicher im Kleinlaster saß und das schrille Heulen des Winds nur noch gedämpft zu hören war. Vater drehte den Schlüssel einmal, zweimal im Zündschloss … Der Anlasser heulte auf und verstummte.
»Verflucht«, brummte Vater. Er stieg wieder aus und öffnete die Motorhaube. Für einen Augenblick verschwand er im wirbelnden Schnee, doch dann sah Evie, dass die Haube wieder herunterklappte, und dann stieg Vater wieder ein und schüttelte sich den Schnee aus dem Haar. Er drehte erneut den Schlüssel um, und diesmal startete der Motor.
Maggie und Evie jubelten erleichtert, doch Vater schüttelte besorgt den Kopf.
»Jetzt müssen wir erst einmal von hier wegkommen«, sagte er und gab vorsichtig Gas. In der Auffahrt lag der Schnee fußhoch, und auch die Straßen waren nicht geräumt worden. Der alte Lastwagen ruckelte unter der Anstrengung, sich seinen Weg durch die Schneemassen zu bahnen.
Evie überkam plötzlich ein ungutes Gefühl. »Was ist, wenn die Bücherei geschlossen ist?«, fragte sie.
Sie merkte, dass Vater und Maggie der gleiche Gedanke gekommen war, doch Vater winkte ab. »Wohl kaum«, sagte er. »Das Unwetter ist zu schnell hereingebrochen. Ich vermute, alles wurde zu den normalen Geschäftszeiten aufgemacht, und jetzt sitzen sie in der Stadt fest.«
Evie hoffte, dass er recht behielt.
Sie kamen nur langsam voran, fuhren am Friedhof vorbei und in die Hauptstraße, auf der die Ladenschilder heftig im Wind schaukelten.
»Da ist sie!«, sagte Evie und zeigte auf die Stadtbücherei in der Ferne. Die Lichter in den Fenstern schienen hell durch die Dunkelheit des Tages.
»Sieht aus, als wäre jemand da«, sagte Maggie und atmete hörbar aus. Vater parkte den Wagen und stellte den Motor ab. Als sie ausstiegen, bliesen ihnen Wind und Schnee in Augen und Ohren. Evie kämpfte sich mühsam bis zur Eingangstür. Sie zog am Griff, doch die Tür gab nicht nach.
Sie war verschlossen.
Nun versuchte Vater, die Tür aufzumachen. Dann hämmerte er mit den Fäusten, die in Handschuhen steckten, an die Fensterscheiben.
Sie müssen uns einfach reinlassen , dachte Evie. Bitte mach, dass noch jemand da ist .
Eine Gestalt tauchte auf – eine junge Frau mit langen Korkenzieherlocken. Evie vermutete, dass es die Bibliothekarin war, die beim letzten Mal nicht an ihrem Schreibtisch gesessen hatte, und spürte eine Welle der Erleichterung, wieder in der Welt voller echter, lebendiger Menschen zu sein.
Die Frau öffnete die Eingangstür einen Spaltbreit; mehr ließ die Sicherheitskette, die sie innen angelegt hatte, nicht zu. »Es tut mir leid. Wir haben wegen des Unwetters früher zu als sonst«, sagte sie.
Evie sah Vater beunruhigt an, doch nun trat Maggie vor. »Hallo, Kit«, sagte sie. »Wir würden gerne etwas aus dem Keller holen. Es dauert nur eine Minute …«
Die junge Frau lächelte.
»Ach, hi, Maggie. Ich hab dich gar nicht gesehen.« Sie machte die Tür auf. »Komm rein! Wer sind denn deine Freunde?«
»Das sind Frank und seine Tochter Eva. Sie sind erst vor Kurzem in Rodneys Haus gezogen.«
»Hättet ihr gerne Büchereiausweise?«, bot Kit an, doch Maggie schüttelte den Kopf.
»Wir sind heute privat hier. Evie wird zu Hause unterrichtet und ich habe ihrem Vater von der botanischen Sammlung meines Vaters erzählt. Evie würde sie gerne sehen, wenn sie noch da ist.«
»Ihr seid bei diesem
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