Evies Garten (German Edition)
durchsuchen auch keine Kiste aus Versehen zweimal. Das Saatkorn kann überall sein; also macht alles auf, was ihr in die Finger kriegt.«
Sie öffneten einen Karton nach dem anderen. Die Kisten waren vollgestopft mit Masken und Statuen und Tierknochen, doch nirgendwo fand sich ein Saatkorn.
»Mein Vater hat immer alles aufgehoben«, sagte Maggie. »Ich weiß noch, wie ich als Kind diese Sachen durchwühlt habe und mich jedes einzelne Stück fasziniert hat, aber Pap sprach nie über seine Reisen. Ich wünschte, ich würde die Geschichten kennen, die hinter all diesen Sachen stecken.«
Vater legte Maggie die Hand auf die Schulter. »Vielleicht ist es noch nicht zu spät, sie herauszufinden«, sagte er.
Maggie nickte. Sie machten schweigend weiter. Schon bald war die ganze Seite durchsucht, doch sie hatten das Saatkorn noch immer nicht gefunden.
Vater holte die letzten drei Kartons aus den Regalen, und Evie nahm jede geschnitzte Schale und jede alte Ausgabe der Zeitschrift National Geographic einzeln aus ihrem Karton und durchsuchte ihn sorgfältig.
»Nichts«, sagte sie dann. Auch Vater und Maggie schüttelten den Kopf.
»Sollen wir unten weitermachen?«, fragte Evie, doch Vater kratzte sich am Bart.
»Wir sollten die Suche zuerst durchdenken«, meinte er. »Das ganze Haus auf den Kopf zu stellen kann eine Woche dauern. Manchmal muss man erst die richtigen Fragen stellen, bevor man die Antwort findet.« Er überlegte. »Maggie, hatte Ihr Bruder einen Tresor? Oder vielleicht einen Banksafe?«
Maggie schüttelte den Kopf. »Er besaß nichts Wertvolles«, sagte sie. »Rodney hatte ein Bankkonto, und das habe ich nach seinem Tod aufgelöst.«
»Und er hat auch keinen Zettel oder so was hinterlassen, den Sie Evie zusammen mit dem Saatkorn geben sollten?«
»Nein«, sagte Maggie. »Nichts außer dem Kästchen. Er hat es mir eines Tages in die Hand gedrückt, als ich hier oben aufgeräumt habe, und sagte: ›Das ist für Eva, wann immer sie zurückkommen mag.‹«
Vater dachte nach. »Wenn Rodney keinen Safe hatte – wo könnte er etwas Kostbares aufbewahrt haben?«
»Er hätte es versteckt. Mein Bruder wurde im Alter sehr misstrauisch. Er war überzeugt, dass die Leute aus der Stadt ihm nicht wohlgesinnt waren. Und da sein Gedächtnis nicht sonderlich gut war, hätte er es sicher so versteckt, dass er es jederzeit wiederfinden würde.«
Evie hob den Kopf. »Wie würde er das machen?«
»Ach, er hätte es zum Beispiel an eine Stelle gelegt, an der er jeden Tag vorbeikam. Oder vielleicht hätte er etwas als Gedächtnisstütze ausgelegt …«
Evies Herz schlug schneller. »Ich hab eine Idee«, sagte sie. »Ich glaube, ich weiß, wo wir suchen müssen.«
Es war so offensichtlich, dass Evie sich wunderte, wieso sie nicht schon längst darauf gekommen war. Sie gingen in ihr Zimmer und musterten das Porträt des kleinen Mädchens im Garten. Es war ein schlichtes Ölgemälde, aber Maggie nickte sofort, als sie es näher betrachtete.
»Das ist Eva«, sagte sie. »Ich habe schon Fotos von ihr gesehen, aber dieses Bild habe ich mir nie näher angesehen. Rodney muss es selbst gemalt haben.«
»Es ist wirklich für jeden sichtbar«, stellte Vater fest.
Er nahm das Bild ab, und Evie blies eine dicke Staubschicht weg. Als sie die Rückwand abschraubten, rutschte ein verblasster brauner Umschlag heraus. Evie grinste zufrieden.
»Es muss das Saatkorn sein«, sagte sie. Vater hob den Umschlag auf und drehte ihn um. Das Papier roch moderig und knisterte, als er es berührte.
»Mach du ihn auf, Evie«, sagte er.
»Entscheide du, Tally.«
Zögernd nahm Evie den Umschlag entgegen.
Er war nicht zugeklebt oder der Klebstoff war schon vor langer Zeit vertrocknet, und so konnte sie hineingreifen und den Inhalt herausholen.
Ein Stück Papier.
»Jetzt seht euch das an«, sagte Maggie.
Evie drehte das Papier um, doch es war nur ein vergilbter Zeitungsausschnitt.
»Es ist bloß irgend so ein doofer Artikel über die Ausstellung in der Stadtbücherei«, sagte Evie, der das Gespräch zwischen den Suchleuten von gestern Abend wieder einfiel. »Warum hat er sich die Mühe gemacht, den zu verstecken?«
Vater nahm ihr den Artikel ab und las ihn aufmerksam durch.
»Evie hat recht«, sagte er zu Maggie. »Es geht um die Ausstellung Ihres Vaters in der Bücherei. Merkwürdig, dass er den Artikel hinter einem Gemälde aufbewahrt hat. Glauben Sie, dass Rodney uns damit einen Hinweis geben wollte, wo es ist?«
Maggie klopfte mit
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