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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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können, wenn er nachgäbe.
    »Eins«, sagte der kleine Bruder.
    An diesem Tag war der Vater in einer Stimmung, dass bei den bevorstehenden Prügeln Schreckliches passieren konnte.
    »Zwei«, sagte der kleine Bruder.
    Der Versuch, den kleinen Bruder mit ein oder zwei Kronen zu bestechen, würde nichts helfen. Dann würde er nur immer wieder ausgeraubt werden.
    »Drei. Jetzt schrei ich«, sagte der kleine Bruder.
    »Warte«, sagte Erik. »Schrei nicht. Wenn du das machst, was glaubst du, was ich dann mache?«
    »Du traust dich nicht, weil Vater dich sonst schlägt«, sagte der kleine Bruder.
    »Das ist mir doch egal. Und ich versprech’s dir, wenn du schreist und was sagst, dann schlag ich dich windelweich, wenn Vater mit mir fertig ist. Kapierst du? Ich schlag dich zusammen. Und morgen schlag ich dich auch, wenn ich aus der Schule nach Hause komme, denn dann ist Vater in der Arbeit. Das versprech ich, kapierst du?«
    »Jetzt schrei ich«, sagte der kleine Bruder.
    »Ich geb dir mein Ehrenwort, danach schlag ich dich windelweich«, fauchte Erik.
    Der kleine Bruder schrie. Der Vater kam mit der Kleiderbürste in der Hand angestürzt und machte Licht.
    »Erik hat mich geschlagen«, jammerte der kleine Bruder.
    Als der Vater mit ihm fertig war und ihm klar gemacht hatte, wie feige es sei, einen zu schlagen, der kleiner ist, bohrte er eine Weile das Gesicht ins Kissen und weinte. Dann machte er Licht, ging zum Bett seines kleinen Bruders und riss ihm die Decke weg.
    »Ich hab dir mein Ehrenwort gegeben«, sagte er.
    »Dann wird Vater dich wieder schlagen.«
    »Das weiß ich, aber ich hab versprochen, dich windelweich zu schlagen, du kleiner Dreckskerl.«
    Er sah ein, dass er nicht sehr weit kommen würde. Er musste erst über die Prügel sprechen, gerade so lange, dass der kleine Bruder fast nach dem Vater schrie. Dann würde er nur einige wenige Schläge anbringen können, ehe der Vater angestürzt käme. Aber worauf sollte er zielen? Er könnte ihm ein paar Zähne ausschlagen, dazu würde die Zeit reichen. Aber es ging ja nicht darum, den kleinen Bruder so schlimm wie möglich zu verletzen, es ging darum, weitere Erpressungsversuche zu verhindern. Der Vater würde auf jeden Fall wütend werden und ausrasten. Trotzdem wäre es dumm, wenn der kleine Bruder schon blutete, wenn der Vater hereinkam.
    Rasch verpasste er ihm zwei Ohrfeigen und einen Fausthieb in den Bauch, und der kleine Bruder schnappte gerade so lange nach Luft, dass Erik das Licht löschen und sich in seinem Bett verkriechen konnte, ehe das Geschrei einsetzte. Es war ein doppelter Vorteil, unter der Decke zu liegen, wenn der Vater angerannt kam. Es sah einerseits so aus, als habe gar keine richtige Prügelei stattgefunden, und anderseits würde der Vater ohne zu zielen auf die Decke einschlagen. Manchmal, wenn der Vater abends betrunken war, achtete er nicht so sehr darauf, wo seine Schläge trafen.
    Aber Eriks Hoffnungen wurden betrogen. Das hörte er schon an den Schritten. Der Vater kam nicht gerannt, er kam langsam gegangen und setzte die Hacken geräuschvoll auf den Boden, damit seine Schritte sich gewichtig anhörten. Erik erstarrte vor Angst. Er ahnte, was passieren konnte.
    Als der Vater in die Tür trat und auf den Lichtschalter drückte, war sein Gesicht starr und er kniff die Lippen auf seine besondere Weise zusammen. Aus seiner rechten Hand hing die Hundepeitsche.
    Die Hundepeitsche war aus Leder geflochten, am Griff dick und am anderen Ende dünn. Dort hing ein Metallhaken, der an einem Hundehalsband befestigt werden konnte. Und dieser Metallhaken zerfetzte die Haut.
    Der Vater trug den kleinen Bruder zärtlich und behutsam aus dem Zimmer. Dann schloss er die Tür, drehte den Schlüssel um, zog ihn heraus und steckte ihn in seine Brusttasche.
    »Nein, bitte, ich wollte doch nicht … es ist nicht so, wie du glaubst …«, schluchzte Erik, als der Vater sich demonstrativ langsam dem Bett näherte. Er wusste, dass Bitten nichts ausrichten würden. Verzweifelt fing er an, in seinem wirren Bewusstsein nach dem blauen Feuer zu suchen, aber es war zu spät. Wenigstens nicht das Gesicht, dachte er, als der Vater langsam die Decke wegzog. Wenigstens nicht das Gesicht, das brauchte Wochen, um zu heilen, nicht das Gesicht, in der Schule »Bitte, nicht das Gesicht«, weinte er, drehte sich um, presste die Hände auf die Wangen und bohrte das Gesicht ins Kissen.
    Der erste Schlag traf ihn mitten im Kreuz. Er konnte noch denken, dass der Vater genau

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