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Evolution der Leere: Roman

Evolution der Leere: Roman

Titel: Evolution der Leere: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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parallel zu dem großen Fluss einige Meilen entfernt weiterverlief. So hatte der Delivery Man die gigantische verlassene Stadt, die sich über die gesamte Talmündung erstreckte, genau vor sich; ihre grandiosen Türme und faszinierenden Kuppeln waren durch den späten Morgendunst noch so gerade zu erkennen.
    Lag es an diesem Anblick? Der klaren Luft? Dem hellen Sonnenlicht? Daran, unterwegs zu sein zu einem fest bestimmten Ziel? Was auch immer der Grund sein mochte, er begann tatsächlich, neue Zuversicht zu schöpfen. Kein sicheres Vertrauen, aber für den Anfang würde es reichen.
    »Ich kann auch schneller gehen«, sagte er Tyzak.
    Der große Alien schritt daraufhin weiter aus, federte dahin in einem unangestrengten Rhythmus. Der Delivery Man passte sich ihm an, genoss die Eile, die in ihrer Geschwindigkeit lag. Ich werde es schaffen, sagte er im Geiste zu Lizzy und den Kindern. Ich komme euch holen, ich versprech's.
    Ozzie ließ sich nichts von dem, was in ihm vorging, entschlüpfen. Myraian lächelte in ihrer verträumten Art und sagte: »Süß.« Dann durchlebte sie Inigos letzten Traum noch einmal.
    Corrie-Lyn war am bestürztesten von allen. Sie kniete sich vor Inigo und sah zu ihm auf, als würde sie darum betteln, dass das alles nicht wahr sei. »Sie hatten alles erreicht«, flehte sie. »Sie waren am Ziel. Ihre Seelen waren wunderschön.«
    »Und es war vergeblich«, erwiderte er. »Sie waren keine Menschen mehr. Sie hatten alles, was sie wollten. Und das nahm ihnen jede Bedeutung und jedes Ziel, das sie gehabt haben mochten. Ihre Leben waren Tage um Tage der Eintönigkeit. Alles, was ihnen einmal wichtig gewesen war, gehörte der Vergangenheit an. Orte aufsuchen, nur weil sie bereits entdeckt worden sind, das ist nicht Erfahrung gewinnen, das ist ein trauriger Nostalgietrip. Sie trugen nichts mehr bei, weil es nichts mehr beizutragen gab.«
    »Sie haben Erfüllung erlangt«, sagte sie. »Ihre Bewusstseine waren so stark. Inigo, sie sind geflogen!«
    »Aber wohin sind sie geflogen? Wozu haben sie eine so große Gabe genutzt? Doch nur, um sich selbst zu Gefallen zu sein. Querencia war zum Tummelplatz charakterloser Halbgötter geworden.«
    »Sie haben es geschafft, die profanen körperlichen Ketten abzuwerfen, die unser Leben beschneiden. Das war das Vermächtnis, das der Waterwalker ihnen hinterließ. Sie lebten in Prunk und Pracht, ohne jemand anderem etwas zu nehmen, ohne irgendjemandem zu schaden. Sie hatten Verständnis füreinander und haben einander geliebt.«
    »Weil sie alle gleich waren. Es war reine Eigenliebe.«
    »Nein.« Corrie-Lyn schüttelte den Kopf, ging hinaus auf die Veranda. Wenige Augenblicke später hörte Ozzie das Geräusch ihrer Schuhe auf den knarrenden Holzstufen hinab in den Garten.
    Betroffen stand Inigo auf und wollte ihr hinterher.
    »Mach das nicht, Alter«, sagte Ozzie. »Lass sie das erst mal verdauen, alles andere hat keinen Zweck.«
    Inigo zögerte einen langen Moment und ließ sich schließlich wieder langsam auf seinen Stuhl an dem Küchentisch sinken. »Verdammt«, knurrte er.
    »Das war es also, was?«, sagte Ozzie. »Ein gigantischer Flop.«
    Inigo bedachte ihn mit einem durch und durch angewiderten Blick.
    »Ich kapiere das nicht«, sagte Aaron. »Die hatten so was zustande gebracht wie den sprichwörtlichen Himmel auf Erden.«
    »Fatal, Mann, echt fatal«, sagte Ozzie. »Ich kann da'n Wörtchen mitreden. Ehrlich, das könnt ihr mir glauben: Plutokrat mit einigermaßen was in der Birne und der größte Wüstling, den es in der ersten Commonwealth-Ära gab. Wein, Weib und Gesang bis zum Augenstillstand. Ich hatte es so viel besser als diese Typen. Naja ... abgesehen von dieser Sache mit dem Fliegen. Ich muss zugeben, das war ziemlich cool. Ich hab' mich immer gefragt, warum Edeard das nicht hingekriegt hat. Mann, wenn ich jemals in die Leere kommen sollte, dann würde ich das von morgens bis abends probieren. Das ist der älteste Traum der Menschheit.«
    »Ich versteh's nicht«, sagte Aaron. »Sie hatten Erfüllung erlangt. Sie alle. Das ist erstaunlich. Das war die ultimative Rechtfertigung für die gesamte Living-Dream-Bewegung.«
    »Ein Mistkäfer, der Scheiße nach Hause bringt, ist auch erfüllt. Wir drehen uns im Kreis, Alter. Hab' ich recht, Inigo?«
    »Ja, Sie haben recht.«
    »Sag ich doch. Jedenfalls sollte man vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht. Utopia funktioniert auf unserer biologischen Stufe einfach nicht. Wenn man erst mal alles erreicht

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