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Evolution der Leere: Roman

Evolution der Leere: Roman

Titel: Evolution der Leere: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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bereits abbröckelten.
    »Wie lange steht euer Dorf schon hier?«, fragte der Delivery Man.
    »Siebenhundert Jahre.«
    Die Felder und Obsthaine auf der anderen Seite des Wassers waren vorbildlich gepflegt. Erwachsene Anomine wuselten durch die Reihen von Bäumen, griffen mit den Scherenklauen ihrer starken oberen Arme ins hohe Geäst und knipsten die Früchte von ihren Stielen. Es waren hauptsächlich die Mütter, wie der Delivery Man aufgrund ihrer Färbung mutmaßte. Der Lebenszyklus der Anomine folgte einem schlichten Fortschreiten vom geschlechtslosen Kind über die ausgewachsene Frau zum älteren Mann. Wobei jedes Stadium mehr als fünfundzwanzig Jahre betrug. Es war äußerst ungewöhnlich, wenn ein Anomine über achtzig wurde.
    Was er einfach nicht verstehen konnte. In der Vergangenheit hatten sie die Technik der Genmanipulation vollkommen beherrscht und sich damit die Möglichkeit geschaffen, ihre durchschnittliche Lebenserwartung deutlich zu verlängern. Doch auch davon hatten sich die Aliens rigoros abgewendet, um ihrem ursprünglichen evolutionären Pfad zu folgen. Keine Fraktion der Menschen würde sich jemals einem solchen Dogma unterwerfen, selbst die Naturalisten unterzogen sich alle dreißig Jahre der guten alten Rejuvenation. Der Trieb, sich ans Leben zu klammern, war so tief in der menschlichen Psyche verwurzelt, dass kein psychoneurales Profiling ihn beseitigen konnte.
    Genauso wenig wie Hoffnung, dachte er. Ich mache bei dieser lächerlichen Charade Gores nur deshalb weiter mit, weil sie mir Hoffnung gibt. Sie ist die einzige Möglichkeit, die mich vielleicht wieder zurück zu Lizzie und den Kindern bringt. Ozzie allein weiß, welchen Irrsinn Ilanthe vorhat, falls sie die Leere erreicht, aber kein Schwein hat irgendeine Idee, wie man sie aufhalten kann. Wenn das alles nur nicht so ... fragil wäre. Wenn ich es nur fertigbrächte, an das zu glauben, was ich tu.
    Der Delivery Man hob den Kopf. Hoch über ihm schimmerte blass der orbitale Trümmergürtel durch die Risse in den Wolken, dieses reglose Gestade aus silbernen Zirren. Er seufzte bei dem Anblick. Jetzt suche ich am Himmel schon nach Zeichen und Omen. Wie armselig ist das denn? Und ich halte die Anomine für schwach wegen ihrer Rückkehr zu ihrem primitiven Leben. Einem Leben, das nicht die Galaxis bedroht. Einem Leben, das Väter nicht von ihren Familien wegreißt.
    Er öffnete die Verbindung zu Gore. »Was werden Sie hinterher tun? Ich meine, falls wir gewinnen?«
    »Als Erstes mal zusehen, dass ich aus diesem verdammten Fleischtier von Körper rauskomme und wieder rein in ANA, wo ich endlich wieder anständig denken kann.«
    »Aber ist das nicht genau das Problem? Sehen Sie sich doch an, wohin unsere Evolutionsgeilheit uns gebracht hat.«
    »Sie meinen, wir übernehmen uns, Jungchen? Dass Hochmut die Wurzel allen Übels ist?«
    »In gewisser Weise, ja.«
    »Hah, in gewisser Weise, dass ich nicht lache. Hundertprozentig! Und deshalb müssen wir weitermachen, die Grenzen der menschlichen Entwicklung beständig erweitern. Wir alle müssen unsere Vernunft- und Verantwortungsgene auf Maximum bringen. Das ist die einzige Möglichkeit, in einer Galaxis, die so gefährlich ist wie diese, friedlich zu überleben.«
    »Das Argument ist alt.«
    »Und absolut stichhaltig. Möglicherweise das einzige Argument, das für unsere ganze Historie noch relevant geblieben ist. Ohne Intellekt und Bildung hätten uns die Barbaren schon vor langer Zeit an Zahl übertroffen und in Heerscharen vor den Stadttoren gestanden.«
    »Na, da ist sie ja im Augenblick auf einem ziemlich guten Weg, was?«
    »Ilanthe? Typischer Fall ... Ihre Bildung weit, weit über dem Niveau ihres IQ und ihre Ambitionen größer als ihr Vermögen. Sie ist auch nichts weiter als eine von diesen Faschos, Söhnchen, und das ist die schlimmste Sorte. Die wissen immer, dass sie recht haben. Jeder, der, aus welchem Grund auch immer, anderer Meinung ist, ist böseböseböse und automatisch ein Feind, der nur dazu da ist, wie eine Wanze zertreten zu werden.«
    Er hätte niemals gedacht, dass das eintreten könnte, aber der Delivery Man ertappte sich tatsächlich dabei, wie er lächelte, während er neben dem Alien durch Haine und Auen marschierte. »Also äußerst konträr zu Ihrem Liberalismus, was?«
    »Du hast's erfasst, Jungchen.«
    Nicht lange, und die kultivierten Felder wichen den weiten Wiesen des Tals. Tyzak schlug einen schmalen Pfad ein, der einen kurzen Bogen beschrieb und dann

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