Evolution der Leere: Roman
hat, bleibt nichts mehr übrig. Man hat sich dessen beraubt, was den Kern des Menschseins ausmacht: das Streben. Edeards Nachkommen hatten eine Stufe erreicht, auf der Erfüllung unvermeidlich war. Man musste nichts mehr dafür tun. Das ist alles andere als menschlich, ergo haben sie angefangen, sich zurückzuentwickeln. Auf die einzige Art und Weise, die sie kannten. Schon zu Edeards Zeiten waren die Bevölkerungszahlen rückläufig, Tendenz fallend. Es war völlig sinnfrei, noch Kinder zu haben, wenn es nichts Neues für sie gab. Sie konnten nichts Wesentliches mehr beisteuern, geschweige denn etwas Profundes für das Herz.«
»Weshalb ich beim besten Willen nicht sehe, wie dieser letzte Traum uns in unserer Situation in irgendeiner Weise weiterhelfen soll«, bemerkte Aaron.
»Nicht, was deine Mission angeht, nein«, sagte Ozzie zu ihm, neugierig, was für Auswirkungen das auf die sonderbare Mentalität des Mannes haben würde. »Aber ich schätze, wenn wir den letzten Traum freigeben, dürfte das Wasser auf die Mühlen einiger Zweifler in den Reihen Living Dreams sein. Die stünden dann als die da, die's schon immer besser gewusst haben, als die Schlauen. Und Hand aufs Herz, die sind in dieser Religionsgemeinschaft nun mal in der Minderheit.«
»Zu spät«, sagte Inigo. »Auch wenn der größte Teil zustimmen würde, dass eine Pilgerfahrt in die Leere letzten Endes in einer verlorenen, unfruchtbaren Generation resultiert, hätte dies keinerlei Einfluss auf die Pilgerfahrt selbst. Und Sie haben Corrie-Lyns Reaktion gesehen. Sie glaubt nicht, dass der letzte Traum als Indiz für ein Scheitern gewertet werden kann. Wenn ich sie nicht überzeugen kann ...«
»Seinen Glauben über Bord zu werfen, ist immer hart. Mann, schau dich an.«
Erschöpft rieb sich Inigo mit den Händen das Gesicht, während er auf dem Stuhl in sich zusammensackte. »Ja, schauen Sie mich nur an.«
»Tut mir leid, Mann. Nein, wirklich, tut es ehrlich. Das war der Mega-Absturz. Wie lange hast du diesen letzten Traum überhaupt unter Verschluss gehalten?«
»Ungefähr siebzig Jahre.«
»Echt? Dann war es ja nur gut, dass du ihn endlich rausgelassen hast. Ich sag dir was, du und ich, wir geben uns heute Abend hammermäßig die Kante. Immer noch die beste Methode, so einen Scheiß wie den hier hinter sich zu lassen. Und wenn jemand weiß, was ein Koloss von einem Desaster ist, dann meine Wenigkeit.«
»Das klingt beinahe verlockend«, gab Inigo zu.
»Das könnt ihr hinterher tun«, mischte sich nun Aaron ein. »Jetzt, nachdem wir festgestellt haben, dass der letzte Traum irrelevant für uns ist, brauch' ich euch, damit ihr euch auf das, was machbar ist, konzentriert.«
»Mann, du gibst wohl nie auf, was?«
»Haben Sie aufgegeben, als der Träumer auf den Plan getreten ist und Ihr Gaiafield untergraben hat?«
»Also bitte, komm mir jetzt nicht mit diesem Motivationsscheiß. Was immer du auch bist, der Schuh ist dir ein paar Nummern zu groß. Bleib besser bei deiner Psychopathennummer.«
»Wie Sie meinen. Schieben Sie sich Ihre gutgemeinten Ratschläge in den Arsch und bleiben Sie jetzt bei mir. Unsere Aufgabe ist es, den Träumer in die Leere zu bringen.«
»Vielleicht ist es das auch nicht«, sagte Inigo. »Ehrlich gesagt glaube ich, dass Aramintas Vertrauen in die Leere nicht ganz ungerechtfertigt ist. Das Herz wird in der Lage sein, mit Ilanthe fertigzuwerden.«
»Da könntst du recht haben«, stimmte Ozzie zu. »Die Silfen jedenfalls glauben an Araminta, das kann ich spüren, Mann. Sie ist im Augenblick ihre größte Hoffnung.«
»Nochmals, irrelevant«, sagte Aaron.
»Nein, ist es nicht«, widersprach Inigo trotzig. »Das Ilanthe-Problem ist erst aufgetaucht, als Ihre Mission schon längst begonnen hatte. Angesichts der Größe des Faktors, den sie darstellt, sollten wir anfangen, sie bei unseren Überlegungen zu berücksichtigen. Alles andere wäre dumm.«
»Unsere Mission ist, Sie, Träumer, in die Leere zu bringen.«
»Nein. Ich sag's ja nur ungern«, gab Ozzie zu, »aber Inigo hat recht. Ilanthe ist fraglos Teil des eigentlichen Problems, auch wenn dein Boss das in seine Rechnung nicht miteinbezogen hat, als er dir diese ganze Missionskacke ins Hirn installiert hat. Du solltest dir allmählich ein paar Gedanken wegen ihr machen, Mann. Komm schon, da muss in deinem Betonschädel doch ein bisschen Platz für Sondermanöver sein.«
»Also schön, ich gehe so weit mit, dass sie für den Ausgang des Ganzen einen nicht ganz
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